Wirtschaftsweiser Truger: Wirtschaftliche Lage ist "dramatisch"
Archivmeldung vom 09.10.2024
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.10.2024 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer Wirtschaftsweise Achim Truger hat die wirtschaftliche Lage in Deutschland als "dramatisch" bezeichnet. "Dramatisch wird es dadurch, dass die deutsche Wirtschaft seit 2019 praktisch nicht mehr gewachsen ist. Wir haben den Corona-Schock gehabt und danach die Energiekrise. Wir liegen jetzt mehr als fünf Prozent unter dem vor der Krise prognostizierten Wachstumstrend. Das ist wirklich dramatisch", sagte der Ökonom den Sendern RTL und ntv.
Die Bundesregierung solle "eine Notlage erklären und die Schuldenbremse
aussetzen", fordert Truger. "Aus meiner Sicht wäre eine Notlage im Jahr
2025 im Rahmen der Schuldenbremse gerechtfertigt. Wenn man bei der
Wirtschaftsleistung mehr als fünf Prozent unter dem Vorkrisentrend liegt
und die Prognosen immer noch nicht wirklich aufwärts zeigen, kann man
rechtfertigen, dass man noch mal richtig Geld in die Hand nimmt, um die
Wirtschaft anzuschieben."
Er wisse, dass das in der aktuellen
politischen Konstellation schwierig sei, so Truger. "Die Bundesregierung
bekommt ja ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn sie 2023 sagt, die Notlage
sei vorbei, und nun soll sie plötzlich wieder da sein. Da hat sich die
Ampel in eine schwierige Lage manövriert. Realistisch gesehen sollte die
Regierung jetzt zumindest finanzpolitisch nicht weiter kürzen. Bei den
Energiepreisen muss sie sehen, dass sie mit einer Überbrückung für
Investitionssicherheit sorgt."
Die Krise "kommt maßgeblich daher,
dass wir noch immer an den Folgen von Corona und insbesondere der
Energiekrise leiden. Das hat die Unternehmen massiv belastet. Und bei
der Energie zeichnet sich ja immer noch keine Entwarnung ab. Das
verunsichert und verhindert Investitionen", so Truger. Die Unsicherheit
über die Finanz- und Wirtschaftspolitik sei ein Problem. "Die
Bundesregierung und wahrscheinlich auch die Ökonomen, also mich
eingeschlossen, haben unterschätzt, was zum Beispiel dieser vorzeitige
Wegfall der E-Auto-Prämie auslöst. Dasselbe gilt für Förderprogramme,
etwa zur energetischen Sanierung, die jetzt nicht in dem Volumen laufen,
wie sie sollten."
"In der jetzigen Situation geht es darum,
einen Aufschwung hinzubekommen. Hier wäre ein Anschub durch die
Finanzpolitik sinnvoll, aber zumindest keine Kürzungen und keine
restriktive Finanzpolitik", so Truger. "Die Streitigkeiten innerhalb der
Ampelkoalition und dieses aus meiner Sicht vollkommen falsche
Festhalten an einer sehr eng ausgelegten Schuldenbremse befördern diese
Krise. Da versündigt sich vor allem die FDP am Aufschwung." Ihn
beunruhige die "hitzige, vergiftete Art, wie die Debatten - auch
wirtschaftspolitische - geführt werden. Die Opposition hat die Grünen
und gerade Wirtschaftsminister Robert Habeck zum Buhmann für fast alle
Probleme gemacht. Dabei hatten Regierung und Opposition in der
Energiekrise doch noch einigermaßen zusammengestanden und gemeinsam viel
Gutes geschafft. Es ist bedauerlich, dass sie diesen Geist nicht
beibehalten haben, angesichts der nach wie vor großen Aufgaben."
Quelle: dts Nachrichtenagentur