Geschlossene Fonds: Berlin auf dem Weg zum Verfassungsbruch?
Archivmeldung vom 17.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Bundesregierung plant, im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2007 Steuersparmöglichkeiten mit Hilfe von geschlossenen Fonds rückwirkend zum 1. Januar 2006 vollständig abzuschaffen.
In der öffentlichen
Anhörung im Bundestag-Finanzausschuss haben mehrere Sachverständige
auf die mögliche Verfassungswidrigkeit des Entwurfs aufmerksam
gemacht. Im Zentrum der Kritik steht insbesondere die rückwirkende
Änderung von Steuergesetzen. Dies würde zu einem Verlust der
Steuerplanungssicherheit führen.
Die Absicht der Bundesregierung, die letzten
Steuersparmöglichkeiten bei geschlossenen Fonds rückwirkend zu Anfang
dieses Jahres zu streichen, ist im Rahmen der heutigen öffentlichen
Anhörung im Bundestag-Finanzausschuss auf heftige Kritik seitens der
Sachverständigen gestoßen. Die Experten wiesen darauf hin, dass mit
Verfassungsklagen von Anbietern und Anlegern zu rechnen sei, wenn die
rückwirkende Änderung des Gesetzesvorhabens bestehen bliebe. Von der
Änderung wären über 10.000 Privatanleger betroffen.
Zu den schärfsten Kritikern des Gesetzesvorhabens zählt der
renommierte Staatsrechtler und ehemalige Vorsitzende des
Rechtsausschusses des Bundestags, Prof. Dr. Rupert Scholz. Er sieht
in der Neuregelung einen klaren Rechtsbruch. Es werde rückwirkend in
die Dispositionen steuerpflichtiger Personen eingegriffen, die ihre
Entscheidungen im Vertrauen auf die bislang geltende Rechtslage
getroffen hätten.
"Dieser Vorgang ist bislang beispiellos. Eine rückwirkende
Gesetzesänderung würde den deutschen Rechtsstaat entwerten. Kein
Anleger könnte sich in Zukunft mehr auf geltende Gesetze verlassen",
sagte der Steuerrechtsexperte Dr. Hanno Berger von der
internationalen Anwaltssozietät Dewey Ballantine.
Ende 2005 hatte die Bundesregierung bei so genannten Steuersparfonds
die Möglichkeit eingeschränkt, die aus diesen Fonds erzielten
Verluste steuerlich zu verrechnen. Von der Novellierung unberührt
blieben jedoch Fondsmodelle, mit denen Verluste in Zusammenhang mit
Zins- oder Dividendeneinnahmen geltend gemacht werden können.
Derartige Modelle wurden erstmals bereits im Jahr 2003 aufgelegt. Das
Volumen dieser Fonds beträgt rund 800 Millionen Euro. Im Rahmen des
Jahressteuergesetzes 2007 will die Bundesregierung nun diese letzten
Steueroptimierungsmöglichkeiten streichen.
"Durch die geplante Neuregelung würden die Anleger nicht nur steuerlich geschädigt, sondern blieben auch auf ihren Transaktionskosten sitzen", so Berger. "Schlimmer aber noch wäre das erschütterte Vertrauen in die Rechtssicherheit. Sollte das Schule machen, kann sich niemand mehr auf die Steuerregeln verlassen." Der Finanzausschuss des Bundestags hat bis zum 8. November Zeit, die Gesetzesvorlage zu überarbeiten, um sie dann an den Bundestag weiterzuleiten. Vorgesehen ist, das Jahressteuergesetz 2007 Ende November 2006 zu verabschieden.
Quelle: Pressemitteilung Dewey Ballantine LLP