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4. Kath. Flüchtlingsgipfel: "Rassismus und Fremdenfeindlichkeit widersprechen der Botschaft Jesu"

Archivmeldung vom 04.07.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.07.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Kreuzzüge: Im Namen der römisch-katholischen Kirche (Symbolbild)
Kreuzzüge: Im Namen der römisch-katholischen Kirche (Symbolbild)

Foto: Author
Lizenz: GFDL
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Am heutigen Tag (4. Juli 2019) fand in Essen der vierte Katholische Flüchtlingsgipfel statt. Auf Einladung der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz waren etwa 150 Praktiker, Experten und Ehrenamtliche auf der Zeche Carl zusammengekommen, um über Fremdenfeindlichkeit als Herausforderung der kirchlichen Flüchtlingshilfe zu diskutieren.

Mit dem Dank der deutschen Bischöfe an die kirchlichen Flüchtlingshelfer eröffnete Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), Sonderbeauftragter für Flüchtlingsfragen und Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, die Veranstaltung. Die Vielzahl der Teilnehmenden sei "eine Quelle der Inspiration und der Kraft", so Erzbischof Heße in seiner Ansprache. Zugleich stellte er klar: "Die großen Herausforderungen stehen noch bevor, denn Integration, die der Aufnahme folgt, ist eine langfristige Aufgabe, die unsere Gesellschaft verändert und auch mit Konflikten einhergeht. Vor diese Aufgabe sind wir jetzt gestellt. Und es ist entscheidend, wie wir damit umgehen und welche Antworten wir geben. Unsere Antwort ist Ausdruck dessen, wie wir uns als Gesellschaft verstehen und auch als Kirche."

Er bekräftigte die christliche Haltung gegenüber Flüchtlingen mit den von Papst Franziskus formulierten Handlungsmaximen "aufnehmen, schützen, fördern und integrieren", erinnerte aber zugleich an die Notwendigkeit, mit Ängsten umzugehen, die sich auch in der Kirche Gehör verschafften: "Ein Blick in die Gemeinden zeigt, dass auch manche Kirchengemeinde um ihre Einheit ringen muss, wenn es um Flüchtlinge und Migranten geht. Auch unter uns in der Kirche gibt es Angst vor dem Fremden und den Fremden." Vor diesem Hintergrund stellte er klar: "Eindeutig bekennen wir: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit widersprechen der Botschaft Jesu. Wir wollen eine offene und ehrliche Debatte führen, die auch Raum lässt für das Unbehagen und die oft diffuse Angst, die sich in der Gesellschaft verbreitet haben. Aber wir glauben, gute Argumente zu haben, wenn wir auf Hoffnung und Vertrauen setzen, statt uns der Angst zu ergeben. Hass und Hetze treten wir entschieden entgegen."

Ausdrücklich würdigte Erzbischof Heße die rund 51.000 Ehrenamtlichen und die 5.100 Hauptamtlichen, die 2018 in der kirchlichen Flüchtlingshilfe aktiv waren. Ebenso dankte er dem fortwährenden Einsatz der (Erz-)Bistümer und der kirchlichen Hilfswerke, die 2018 rund 125,5 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe bereitgestellt haben: darunter 83,5 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe im Ausland und rund 37,5 Millionen Euro für die Unterstützung der Flüchtlingshilfe im Inland.

In seinem Vortrag interpretierte Prof. Dr. Andreas Lob-Hüdepohl, Professor für Theologische Ethik, Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin, Fremdenfeindlichkeit im Kontext "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit". Sie sei durch abwertende Einstellungen und Vorurteile gegenüber Angehörigen ganzer Gruppen bestimmt, die als "anders" definiert würden. Prof. Dr. Lob-Hüdepohl machte deutlich, dass fremdenfeindliche Menschen zwar keine homogene Gruppe seien, aber doch "gemeinsame tiefgreifende Verunsicherungen" teilten, nicht zuletzt auch aufgrund einer "Ohnmachtserfahrung durch soziale und politische Deprivation". Die von der Deutschen Bischofskonferenz am 25. Juni 2019 veröffentlichte Arbeitshilfe "Dem Populismus widerstehen. Arbeitshilfe zum kirchlichen Umgang mit rechtspopulistischen Tendenzen" versuche, angesichts dieser Situation Aufklärung zu leisten und Orientierung zu geben.

Die Frage, wie die Kirche den Ängsten und Vorbehalten gegenüber Geflüchteten begegnen kann, bildete auch den roten Faden in den Diskussionen der Arbeitsgruppen, die das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln behandelten. Ergänzt wurde das Programm des Flüchtlingsgipfels durch einen Markt der Möglichkeiten, auf dem Bewerber und Preisträger des Katholischen Preises gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ihre Arbeit präsentierten.

Von unterschiedlichen Differenz- und Diskriminierungserfahrungen berichtete Ali Can, Begründer des Hashtags #MeTwo, in einem Impulsvortrag, der der abschließenden Diskussionsrunde voranging. Seinem Hashtag, der sich an der "Metoo"-Debatte zum sexuellen Missbrauch orientierte, hatten sich viele Migranten angeschlossen, um von ihren Erfahrungen mit Alltagsrassismus und Diskriminierung zu berichten. "#MeTwo hat gezeigt, dass Rassismus ein großes Problem in Deutschland ist", so Ali Can.

An der Podiumsdiskussion unter dem Leitthema "Fremdenfeindlichkeit - Welche Aufgaben stehen in Kirche und Gesellschaft an?" nahmen neben Erzbischof Heße und Ali Can auch Monika Düker, Fraktionsvorsitzende der Grünen, Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen, und Dr. Ina Schildbach, Projektleitung der "Kompetenzzentren für Demokratie und Menschenwürde der Katholischen Kirche Bayern", teil. "Ab wann ist ein Flüchtling kein Flüchtling mehr, sondern ein Nachbar, ein Studierender oder ein Deutscher? Die Zeit für eine Neudefinition des Deutschseins ist reif. Wir haben alle mehr als eine Heimat. Vielfalt ist das neue Made in Germany!", betonte Ali Can. Die Fraktionsvorsitzende Monika Düker unterstrich während der Podiumsdiskussion: "Unsere Gesellschaft ist geprägt von Zukunftsängsten: Globalisierung, Digitalisierung, Klimawandel und Migration werden unsere Lebensweise verändern. Die Politik muss Antworten geben, wie wir diese Herausforderungen meistern können. Die aktuellen gesellschaftlichen Bewegungen zum Beispiel für Klimaschutz und den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen zeigen, dass vielen Menschen genau diese Antworten fehlen. Gleichzeitig schüren und nutzen Rechtspopulisten Ängste, um ihre menschenfeindliche, ausgrenzende und nationalistische Politik zu verkaufen. Grundfalsch und gefährlich für unsere Demokratie finde ich es, diesen ideologischen Brandstiftern hinterherzurennen und sich ihrer Programmatik anzunähern, um Wählerinnen und Wähler zurückzugewinnen. Wir sollten mit einer klaren Haltung gegen Nationalismus und Rassismus und für eine menschenrechtsorientierte Politik antworten, die auf den Werten unserer Verfassung fußt. Das Grundgesetz wird in diesem Jahr 70 Jahre alt, und leider müssen wir seine Artikel mehr denn je verteidigen."

Dr. Ina Schildbach erklärte, dass es entscheidend sei, dass wir Fremdenfeindlichkeit und Rechtspopulismus nicht lediglich als ein Problem an den Rändern der Gesellschaft begreifen. Der Aufstieg der AfD und anderer Parteien spiegele nur in institutionalisierter Form wider, was empirische Studien schon lange zeigten: Solche Einstellungsmuster seien fest in der Mitte verankert. "Ich erlebe in verschiedenen Veranstaltungen einerseits zwar eine große Verunsicherung, weil tatsächlich immer mehr Menschen sowohl im Privaten als auch beruflich mit entsprechenden Aussagen/Einstellungen konfrontiert werden. Zum anderen wird jedoch auch wahrgenommen, dass es eine große Rückendeckung vonseiten der Kirchenspitze gibt, da gibt es keinerlei Unschärfen und das ist extrem wichtig!", so Dr. Schildbach.

Hier ergänzte Erzbischof Heße: "Von uns Bischöfen wird zu Recht erwartet, dass wir ihnen geistlich und argumentativ den Rücken stärken. Das ist aber bisweilen keine leichte Aufgabe. Denn so entschieden und unmissverständlich unsere Ablehnung menschenfeindlicher Haltungen ist: Auch für jene, die mit rechtspopulistischen Tendenzen sympathisieren, tragen wir seelsorgliche Verantwortung." Die Flucht- und Migrationsbewegungen der Jahre 2015 und 2016 hätten gezeigt, dass Rechtspopulisten auch in Deutschland imstande seien, diffuse Ängste und Verunsicherungen zu bündeln, so Erzbischof Heße: "Besonders bedenklich ist es, wenn solche Bewegungen sich als Verteidiger des christlichen Abendlands inszenieren und wesentliche Aspekte des christlichen Menschenbildes dabei ausblenden. Rechtspopulistische Tendenzen fordern uns heraus - sowohl gesamtgesellschaftlich als auch innerkirchlich." Dr. Schildbach betonte die Relevanz von Kompetenzzentren: "Meines Erachtens müssen wir die innerkirchliche politische Bildung stärken, wie es jetzt mit dem bayerischen Kompetenzzentrum versucht wird. Menschen trauen sich nur dann in die Auseinandersetzung, wenn sie sich auch gut dafür vorbereitet sehen - dafür braucht es nun mal Unterstützung. Insofern wäre meine Hoffnung tatsächlich, dass in sämtlichen Bundesländern Kompetenzzentren eingerichtet und dadurch Gesprächsräume geöffnet werden."

Quelle: Deutsche Bischofskonferenz (ots)


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