Can Dündar, ehem. Chefredakteur "Cumhuriyet": "Wir kämpfen weiter gegen ihn
Archivmeldung vom 09.01.2023
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer ehemalige Chefredakteur der türkischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, hat auf Berichte reagiert, wonach die türkische Regierung ein Kopfgeld von 25.000 Euro auf ihn ausgesetzt haben soll. Er sagte am 9. Januar 2023, um 18:40 Uhr, auf radioeins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg: "Ich glaube, Erdogan versucht, seine Unterstützer damit zu mobilisieren, dass er meinen Namen auf die Liste setzt. Natürlich ermutigt er auch Menschen mit Geld, Informationen über mich zu liefern. Aber für mich hat sich nichts geändert. Wir kämpfen weiter gegen ihn."
Auf die Frage, welche Auswirkungen auf seine persönliche Sicherheit er befürchte, sagte Dündar: "Wenn man einen politischen Führer wie Erdogan herausfordert, ist man nirgendwo mehr sicher. Das war mehr oder weniger die gleiche Situation in der Türkei und unglücklicherweise auch in Deutschland. Wir haben eine Art Tauziehen zwischen den Gegnern und den Unterstützern Erdogans und leider ist seit vielen Jahren und an vielen Orten Berlin nicht der sicherste Ort für mich. Es gibt ein paar Orte in der Stadt, wo sich die Erdogan-Unterstützer konzentrieren. Die meide ich. Es ist nicht leicht, aber ich verbringe viel Zeit in meinem Büro und zu Hause. Trotzdem muss ich vorsichtig sein, denn es gibt ja viele Beispiele von Attacken auf Journalisten in ganz Europa und sogar in Berlin. "
Zu dem Signal, dass die türkische Regierung mutmaßlich mit dem Kopfgeld senden möchte, sagte er: "Ich glaube, es ist teilweise eine Rachegeschichte. Erdogan will damit die Gegner bestrafen und zeigen, dass er niemals vergessen wird, dass ich etwas gegen ihn und seine Interessen geschrieben habe. Auf der anderen Seite versucht er uns zu entmutigen, indem er die Medien in der Türkei kontrolliert. Es ist aber schwierig für ihn, die Medien im Ausland zu kontrollieren und wir können hier eben alles Mögliche schreiben, was in der Türkei nicht möglich wäre. Er versucht, uns zum Schweigen zu bringen. Aber ich bin nicht der Einzige, es gibt tausende von Menschen auf der Liste. Jeder, der sich gegen Erdogan stellt, gilt als Terrorist.
Auf die Frage, welche Reaktion der deutschen Bundesregierung er sich wünsche, sagte Dündar: "Der Chef des deutschen Geheimdienstes sagte letzte Woche in einem Interview, dass die türkischen Journalisten, die in Deutschland leben, von der türkischen Regierung gesucht werden. Es sei nicht möglich, jeden einzelnen von uns zu schützen. Aber es ist gut, der türkischen Regierung eine klare Botschaft zu senden, um zu vermeiden, dass Deutschland der Ort der Auseinandersetzung zwischen Gegnern und Unterstützern Erdogans wird. Deshalb sollte Deutschland sich der Bewegung für eine demokratische, freie Türkei anschließen. Das ist die einzige Lösung, die ich sehe."
Quelle: rbb - Rundfunk Berlin-Brandenburg (ots)