EU-Kommissar: EU-Beitritt der Türkei wird "immer unrealistischer"
Archivmeldung vom 21.03.2017
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Freigeschaltet durch André OttEin EU-Beitritt der Türkei wird nach Ansicht von EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn "immer unrealistischer". Der autoritäre Kurs des türkischen Präsidenten Erdogan und die geplante Verfassungsänderung seien "eine Abkehr von Europa", sagte Hahn der "Bild". Die Türkei bewege sich "seit Längerem immer weiter weg von der EU", sagte der EU-Kommissar. "Wenn sie ihren Kurs nicht rasch ändert, wird eine Mitgliedschaft in der Tat immer unrealistischer."
Scharfe Kritik übte Hahn an den Drohungen und Nazi-Vorwürfen türkischer Politiker gegen die EU. Mit Drohungen könne man "keine Politik machen, sie machen einen vernünftigen Dialog unmöglich", so Hahn. "Die absurden und inakzeptablen Nazi-Vergleiche sind auf das Entschiedenste zurückzuweisen."
Der Erweiterungskommissar schloss nicht aus, dass die EU-Staaten bald über einen möglichen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit Ankara beraten könnten. Im Dezember hätten sie sich zwar für eine Fortführung der Verhandlungen ausgesprochen, es könne aber "jederzeit eine Neubewertung dieser Situation aufgrund aktueller Entwicklungen geben".
Eine Fortführung der Beitrittsgespräche sei nur möglich, wenn es "wesentliche Fortschritte im Bereich der Rechtsstaatlichkeit" in der Türkei gebe. Vor allem die Unabhängigkeit der Justiz müsse gewährleistet werden. "Allen Menschen, die von Suspendierungen und Verhaftungen betroffen sind, müssen faire Verfahren und die Möglichkeit zur Verteidigung beziehungsweise Berufung garantiert werden.
Das gilt selbstverständlich auch für Journalisten, inklusive Deniz Yücel. Und natürlich muss Abstand von Initiativen zur Wiedereinführung der Todesstrafe genommen werden." Keine Chance sieht Hahn derzeit auch für die Einführung der Visa-Freiheit für Türken in der EU. "Solange sich die Türkei weigert, wesentliche Kriterien zu erfüllen, wie etwa die Anpassung des Anti-Terrorgesetzes, das zur Zeit auch dazu verwendet wird, die Opposition und Kritiker zu verfolgen, wird es keine Visafreiheit geben."
Der EU-Kommissar warf Erdogan vor, mit seinen Attacken gegen die EU dem eigenen Land zu schaden und Touristen aus der EU abzuschrecken: "Wer will schon in ein Land reisen, das immer instabiler wird, in dem selbst ausländische Journalisten wie Deniz Yücel verhaftet werden und dessen Regierung EU-Länder als faschistisch beschimpft."
Quelle: dts Nachrichtenagentur