EU-Parlamentspräsident Pöttering teilt Einschätzung der Istanbuler Menschenrechtlerin Keskin
Archivmeldung vom 22.03.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Urteil gegen die türkische Menschenrechtlerin Eren Keskin hat unter deutschen Politikern deutliche Kritik ausgelöst. EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering (CDU) äußerte "großen Respekt" vor der Arbeit der Menschenrechtlerin. "Es gehört zur Meinungsfreiheit in der Demokratie, dass man politische Bewertungen vornimmt", sagte er dem "Tagesspiegel".
Zudem entspreche die Einschätzung der Menschenrechtlerin auch den Tatsachen, erklärte Pöttering weiter: "Das Militär hat einen großen Einfluss." Die EU erwarte, dass die Türkei den Strafrechtsparagrafen 301 abändere. Keskin war von einem Gericht in Istanbul für schuldig gesprochen worden, nachdem sie im Juni 2006 im Gespräch mit dem "Tagesspiegel" die politische Macht der türkischen Armee kritisiert hatte.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, der CDU-Politiker Ruprecht Polenz, verurteilte das Verfahren gegen die Istanbuler Rechtsanwältin. "Wir werden Zeugen eines Machtkampfes von Reformern und Reformgegnern", sagte er. Für ihn mache der Fall Keskin deutlich, dass der Strafrechtsartikel 301 "zumindest verändert werden muss". Anfang April wolle er sich in der Türkei mit der Reform des Artikels und auch dem Fall Keskin befassen, kündigte Polenz an.
"Dieses Urteil erhöht die Zweifel an der Beitrittsfähigkeit der Türkei", sagte der Europaabgeordnete Elmar Brok. Die Reform des Strafrechtsartikels 301 habe eine "tatsächliche und symbolhafte Bedeutung für die Europafähigkeit der Türkei", erklärte der CDU-Politiker weiter. Wenn die Türkei in einer grundlegenden Frage wie der Änderung des Strafrechtsartikels 301 keine Fortschritte machen könne, "wie soll es dann in Wirklichkeit mit der EU-Fähigkeit aussehen?", fragte er. Brok bezeichnete den umstrittenen Artikel als "eines der entscheidenden Schlachtfelder" zwischen Militär und Justiz einerseits und dem politischen System in der Türkei andererseits.
Quelle: Der Tagesspiegel