Der frühere ukrainische Präsident Juschtschenko bezeichnet den von Timoschenko mit Russland abgeschlossenen Gasvertrag als "im Grunde kriminell"
Archivmeldung vom 15.10.2012
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWährend der Sitzungen mit Mitgliedern des europäischen Parlaments und leitenden Beamten der Europäischen Kommission vergangene Woche in Brüssel äusserte der frühere ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko seine Ansicht, dass der von der früheren Premierministerin Julija Timoschenko mit Russland ausgehandelte und 2009 abgeschlossene Gasvertrag aufgrund der Verluste, die der ukrainischen Wirtschaft durch die Vereinbarung entstehen, "im Grunde kriminell" sei.
"Die Ukraine erlitt während der zehnjährigen Vertragslaufzeit einen Verlust von 62 Milliarden Euro," so Juschtschenko. "Ich habe den Vertrag nie gutgeheissen, da mir seine korrupte Natur bewusst war."
Er fügte hinzu, dass die spätere Verurteilung von Timoschenko zu einer siebenjährigen Strafe aufgrund von Machtmissbrauch "die Integration der Ukraine in die EU behindert hat," und betonte, dies sei "grundlegend falsch".
"Ein Konflikt zwischen zwei ukrainischen Politikern sollte nicht das ganze Land beeinträchtigen. Internationale Isolation ist nicht die Antwort, sie verstärkt das Problem nur. Ohne eine Kooperation oder einen Dialog mit der EU wird die Ukraine schnell zu einem zweiten Weissrussland werden", warnte er und fügte hinzu: "Dies wäre für die Ukraine ein Alptraum."
Seine Kommentare gehen der Parlamentswahl in der Ukraine am Ende des Monats voraus, bei der das Land seiner Meinung nach "eine entscheidende Wahl trifft".
"Dies ist keine Wahl zwischen politischen Parteien, es ist eine Wahl zwischen Ideologien, die die zukünftige Entwicklung der Ukraine betreffen", so Juschtschenko. "Entweder gehen wir den demokratischen Weg nach Europa oder wir wählen die Parteien der fünften Kolonne und kehren zum Totalitarismus zurück."
Präsident Viktor Janukowitsch hat sich schon mehrfach für die europäische Integration ausgesprochen. Die Assoziierungsvereinbarung mit der Europäischen Union wurde Ende März unterzeichnet.
Juschtschenko und Timoschenko waren Verbündete, als sie durch die Orangefarbene Revolution 2004 - 2005 nach massiven Demonstrationen für die Demokratie, die manipulierte Präsidentschaftswahlen aufgehoben hatten, an die Macht kamen.
In einem Abendinterview mit dem First National TV Channel am 3. Oktober hatte Juschtschenko gesagt, die Ernennung von Julija Timoschenko zur Premierministerin der Ukraine sei "der grösste Fehler" seiner Präsidentschaft gewesen.
Das frühere Staatsoberhaupt erklärte, dass die "Erwartungen der Gesellschaft" nach der Orangefarbenen Revolution für Timoschenko gesprochen hätten, und dies der Grund sei, weshalb sie und nicht Petro Poroschenko 2005 die Position des Premierministers übernommen habe. Juschtschenko gab zu, dass Poroschenko zu diesem Zeitpunkt besser auf die Position vorbereitet war.
Bei dem Gerichtsverfahren gegen Julija Timoschenko wegen Amtsmissbrauchs im vergangenen Jahr sagte der frühere Präsident der Ukraine gegen seine Partnerin aus der Orangefarbenen Revolution aus. Juschtschenko gab an, Timoschenko habe sich vom politischen Gewinn leiten lassen, als sie den Gasvertrag mit Russland unterzeichnete und die Nationalinteressen der Ukraine verriet, indem sie einem überhöhten Preis zustimmte.
Juschtschenko sagte weiterhin aus, Timoschenko, die sich damals auf die Präsidentschaftswahlen 2010 vorbereitete, habe das Bild einer "Retterin" vermitteln wollen, die einen bitteren Preiskampf mit Moskau beendet habe, der 2006 zu Lieferengpässen in der Ukraine und bei Kunden in ganz Europa geführt hatte.
Er behauptete auch, Timoschenko habe die Interessen der Ukraine einer besonderen Verbindung zur russischen Führung geopfert: "Russland brauchte einen gefälligen pro-russischen Anführer."
Quelle: Ukraine Observer (ots)