Ryanair-"Entführung": Piloten entschieden Landung in Minsk – wie veröffentlichter Funkverkehr belegt
Archivmeldung vom 26.05.2021
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.05.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićIm brisanten Fall um die angebliche Flugzeugentführung einer Ryanair-Maschine nach Minsk hat das weißrussische Verkehrsministerium den Funkverkehr zwischen den Piloten des Flugzeugs und den Fluglotsen am Boden veröffentlicht. Funkverkehr und Logbuch werfen ein völlig neues Licht auf die umstrittenen Ereignisse. Dies berichtet das Magazin "RT DE" unter Verweis auf die veröffentlichten Daten.
Weiter berichtet RT DE: "Die Zwischenlandung einer Ryanair-Maschine auf dem Flughafen Minsk
und die anschließende Verhaftung des Politaktivisten Roman
Protassewitsch durch weißrussische Behörden schlugen höchste Wellen.
Der Vorfall katapultiert die Krise in dem osteuropäischen Land wieder in die Schlagzeilen und sorgt für weiteren Druck auf den Präsidenten Alexander Lukaschenko. Politiker der Europäischen Union (EU) verurteilten den Vorfall. "Das unverschämte und illegale Verhalten des Regimes in Belarus wird Konsequenzen haben", schrieb die EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen am Sonntagabend bei Twitter.
Der deutsche Außenminister Heiko Maas sprach gar von einem dreifachen Angriff auf die "Sicherheit des Luftverkehrs, auf die Pressefreiheit und auf europäische Bürger*innen an Bord".
Lukaschenkos Tat ist an Niedertracht kaum zu überbieten. Mehr als 170 Passagiere wurden gefährdet, um einen Journalisten zu verhaften. Ein dreifacher Angriff: auf die Sicherheit des Luftverkehrs, auf die Pressefreiheit und auf europäische Bürger*innen an Bord. (1/2) pic.twitter.com/DOCXkCwIQ3 — Heiko Maas 🇪🇺 (@HeikoMaas) May 25, 2021
Maas drohte außerdem: "Jedem Diktator, der mit derlei Gedanken spielt, muss klargemacht werden: Dafür gibt es einen bitteren Preis zu zahlen."
Bereits
vor jeglicher unabhängiger internationaler Untersuchung wurden auf dem
Gipfel der Staats- und Regierungschefs der EU am Montag neue Sanktionen
gegen Weißrussland beschlossen.
Weißrussische Fluggesellschaften sollen künftig den Luftraum
der EU nicht mehr nutzen dürfen und von Starts und Landungen an
Flughäfen in der EU ausgeschlossen sein. Fluggesellschaften mit Sitz in
der EU sind darüber hinaus aufgefordert, den Luftraum über Weißrussland
zu meiden.
Das weißrussische Verkehrsministerium hat am Dienstag den Funkverkehr zwischen dem Ryanair-Flug FR4978 herausgegeben. Aus Passagen der protokollierten Niederschrift geht hervor, dass die Piloten nach Bekanntgabe einer Bombendrohung aus freien Stücken nach Minsk geflogen sind, obwohl Vilnius schneller zu erreichen war.
Das Verkehrsministerium betont, dass die Piloten niemals zu einer Landung in Minsk gezwungen wurden und aus freien Stücken den Flughafen Minsk angeflogen haben.
Der verantwortliche Fluglotse versuchte, auch Kontakt mit dem zuständigen Büro der Fluggesellschaft in Vilnius herzustellen. Unter der von der Cockpitbesatzung übermittelten Telefonnummer war dort jedoch niemand zu erreichen.
Das weißrussische Verkehrsministerium versicherte, dass zur weiteren Prüfung des Sachverhalts Vertreter der ICAO, IATA, EASA sowie der Zivilluftfahrtbehörden der EU und der USA eingeladen werden.
Auszugsweise hier ein Wortlaut aus dem Funkverkehr: Pilot: Verstanden, in diesem Fall bitten wir um Halten auf der aktuellen Position. ATC: RYR 1TZ Roger, halten Sie über Ihrer Position, halten Sie FL390 dreht nach eigenem Ermessen. Pilot: Ok, wir halten nach eigenem Ermessen an der gegenwärtigen Position und bleiben bei FL390 RYR 1TZ. Pilot: 09:47:12: RYR 1TZ wir deklarieren einen Notfall MAYDAY, MAYDAY, MAYDAY RYR 1TZ. Unsere Absichten wären, zum Flughafen Minsk umzudrehen ATC: RYR 1TZ MAYDAY, Roger. Bereithalten für Kursangaben.
Die
Anwesenheit eines Kampfjets MiG-29 wird in dem Protokoll überhaupt
nicht erwähnt. Weiterhin geht daraus auch hervor, dass sich 133 Personen
an Bord des Flugzeugs befunden haben. Heiko Maas weiß angeblich jedoch
von mehr als 170 Passagieren.
Das Transkript des Funkverkehrs belegt, dass keinerlei Druck auf die Piloten ausgeübt wurde, in Minsk zu landen. Ebenso ist aufschlussreich, dass der angebliche Einsatz einer bewaffneten 🇧🇾MiG-29 keine Erwähnung im Funkverkehr findet.Quelle: https://t.co/NgrgeS3G6j — Florian Warweg (@FWarweg) May 26, 2021
Der Direktor des Instituts für Luft- und Weltraumrecht AEROHELP Oleg Aksamentow, ein Experte auf dem Gebiet des Luftfahrtrechts, erklärt: "Geht man von den derzeit bekannten offiziellen Daten aus, die von Minsk zur Verfügung gestellt wurden, so erfolgte die außerplanmäßige Landung der Ryanair-Passagiermaschine Athen-Vilnius auf dem Flughafen der weißrussischen Hauptstadt in voller Übereinstimmung mit den Regeln für internationale Flüge."
Präsident Lukaschenko verteidigte sich am Mittwoch vor dem Parlament Weißrusslands: "Ich habe rechtmäßig gehandelt, indem ich die Menschen geschützt habe – nach allen internationalen Regeln."
"Dass die Maschine mit einem Kampfjet vom Typ MiG-29 zur Landung gezwungen wurde, ist eine absolute Lüge!", sagte er weiter. Weißrussland habe aus Sicherheitsgründen gehandelt, weil das Flugzeug über das Atomkraftwerk des Landes geflogen sei.
Quelle: RT DE