Turkmenistan: Lage der Pressefreiheit bleibt alarmierend
Archivmeldung vom 06.10.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittReporter ohne Grenzen (ROG) sieht keine Anzeichen für eine Verbesserung der Lage von Journalisten und Medien in Turkmenistan. Seit Jahren liegt das zentralasiatische Land neben Eritrea und Nordkorea auf der ROG-Rangliste der Pressefreiheit auf den hintersten Rängen: Presse, Rundfunk und die Neuen Medien unterliegen einer strengen Zensur. Unabhängige und kritische Journalisten und solche, die in Kontakt zu ausländischen Medien stehen, müssen drakonische Gefängnisstrafen, Schikanen und Einschüchterungen fürchten.
Ein aktuelles Beispiel für die kriminelle Behandlung von kritischen Journalisten ist Dowletmyrat Jaskulijew, Korrespondent von "Radio Azatlyk", der turkmenische Dienst des in Prag ansässigen Hörfunksenders "Radio Free Europe/Radio Liberty" (RFE/RL). Ein Gericht in der südlich-zentralen Provinz Ahal hat den Radioreporter am 5. Oktober zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Nach Ansicht von ROG fußt das Gerichtsurteil auf einer frei erfundenen, absurden Anklage. Jaskulijew wurde beschuldigt, eine Verwandte dazu ermutigt zu haben, einen Selbstmordversuch zu unternehmen.
ROG fordert die sofortige Aufhebung des Urteils und die Freilassung von Jaskulijew. Der Richterspruch habe gezeigt, dass eine willkürliche Herrschaft in Turkmenistan fortdauere. Versprechen von Präsident Gurbanguly Berdimuhammedow, eine Demokratisierung einzuleiten, seien nicht ernst zu nehmen. "Es ist für uns offensichtlich, dass der Journalist für seine kritischen Radioberichte und seine Blogs bezahlen soll", erklärt ROG.
Nach Auskunft seiner Kollegen berichtete Jaskulijew häufig über sensible Themen wie die Menschenrechtssituation, Korruption oder wie zuletzt über Fälle von Folter und Polizeigewalt. Der Reporter war zudem einer der ersten, die über die tödliche Explosion in einem Waffendepot in einem Vorort der Hauptstadt Aschgabat am 7. Juli 2011 berichtete. Die Regierung hatte den Vorfall geleugnet. Berichte und Amateurvideos über den Unfall hatten sich jedoch innerhalb kurzer Zeit im Internet verbreitet. Die Behörden reagierten mit Festnahmen von Journalisten, Bloggern und anderen Bürgern sowie Durchsuchungen, Beschlagnahmungen und Verhören.
Auch Jaskulijew wurde im Juli zu einem Verhör einberufen und vor "möglichen juristischen Konsequenzen" gewarnt, sollte er nicht aufhören "diffamierende Informationen" zu verbreiten und "zu provozieren". Am 27. September wurde der Reporter unter dem Vorwurf, seine Schwägerin zu einem Selbstmordversuch animiert zu haben, verhaftet.
Turkmenischen Journalisten zufolge ist dies nicht der erste Fall, in dem sich Behörden in fingierten Anschuldigungen gegen Medienmitarbeiter auf familiäre Angelegenheiten beziehen. Wiederholt wurden in der Vergangenheit außerdem Mitarbeiter von "Radio Azatlyk" zum Ziel von Repressionen: Drei Reporter und Reporterinnen wurden zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Eine von ihnen, Ogulsapar Muradowa, starb im September 2006 nach Folter in Haft.
Die weiterdauernde Unterdrückung der Pressefreiheit und politische Gerichtsurteile wie gegen Jaskulijew sind laut ROG keine guten Vorzeichen für die im kommenden Februar in Turkmenistan geplante Präsidentschaftswahl. "Ohne eine freie Presse und ein unabhängiges Justizsystem ist eine freie und faire Wahl undenkbar", so ROG.
Quelle: Reporter ohne Grenzen (ots)