SPD-Außenpolitiker Mützenich kritisiert Vorgehen der türkischen Polizei gegen Demonstranten
Archivmeldung vom 12.06.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hat das gewaltsame Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in Istanbul kritisiert. "Die Entwicklungen der letzten Stunden sind Besorgnis erregend", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung". "Die Regierung bricht damit ein Versprechen. Was sollen jetzt noch Gespräche?"
Mützenich fügte hinzu: "So trägt man nicht zur Deeskalation und zur friedlichen Lösung eines umfassenden Konflikts bei. Die Regierung hätte durch eine andere Reaktion einer selbstbewussten türkischen Bürgergesellschaft gerecht werden und Vorbild für andere Regionen sein können." Das habe sie versäumt.
Türkei: Proteste in Istanbul erhalten Solidaritätsbekundungen
Die Proteste und Auseinandersetzungen in der Türkei, besonders in Istanbul, halten weiter an. In Deutschland gibt es unterdessen zahlreiche Solidaritätskundgebungen für die Aktivisten - wie zum Beispiel am Dienstagabend in Berlin. Die Demonstrationen und Aktionen richten sich gegen die kompromisslose Haltung der türkischen Regierung und das Vorgehen der Sicherheitskräfte. Die türkische Polizei hatte am Dienstag mit zahlreichen Mannschaftsbussen den Taksim-Platz in Istanbul gestürmt, nachdem Demonstranten diesen zwölf Tage lang besetzt hatten. Die Polizisten drangen unter dem Einsatz von Tränengas, Wasserwerfern und Panzerfahrzeugen auf den Platz vor. Die Aktivisten warfen mit Steinen und kleineren Brandsätzen, wurden aber von den Hundertschaften vertrieben. Sie flüchteten größtenteils in den angrenzenden Gezi-Park, in dem hunderte Protestler ihre Zelte aufgeschlagen haben. Dort gehen die Auseinandersetzungen weiter. Ministerpräsident Erdogan ignorierte bislang alle Dialogangebote und schickte weitere Einsatztruppen in das Camp. Beobachter rechnen mit der Ausweitung der Proteste.
Türkischer Politikwissenschaftler kritisiert Erdogan
Der Politologe Hussein Bagci von der Technischen Universität Ankara hat den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan für seinen harten Kurs gegen Demonstranten kritisiert. Die Türken würden es nicht zulassen, dass Erdogan noch autoritärer vorgeht, so der Politologe im Deutschlandfunk. Dass der türkische Ministerpräsident 50 Prozent der Türken hinter sich habe, sei richtig und seine Regierung legitim. "Aber seine Art und Weise, wie er das Land regiert und regieren möchte, das ist der Kritikpunkt, und die Türken, wie man jetzt auch sieht, werden es nicht zulassen, dass er mehr autoritäre Tendenzen zeigt und sich in das Leben des Einzelnen einfach so einmischt, wie er das gerne möchte", so der türkische Politikwissenschaftler. Bagci rät Erdogan, der aus seiner Sicht von den Entwicklungen überrascht worden sei, zur Mäßigung und "daher sollte er doch diese jungen Leute vor allem hören und auch die Probleme nicht durch Polizeigewalt, sondern durch den politischen Dialog lösen"
Quelle: dts Nachrichtenagentur