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Ayatollah Ghaemmaghami: Die Verbreitungen von Karikaturen gefährden erfolgreiche Integration

Archivmeldung vom 07.02.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.02.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

In den letzten Tagen haben wir uns Muslime zutiefst verletzende Beleidigungen erfahren müssen, die die Verunglimpfung des Propheten Mohammed (Friede Gottes sei mit ihm), die Verhöhnung muslimischer Spiritualität und des Islam zum Ziel hatten. Was in mehreren europäischen Ländern begonnen hatte und schließlich erledigt zu sein schien, verschärfte sich leider durch Wiederholung in weiteren Ländern wie auch in Deutschland.

Das Recht auf Meinungsfreiheit ist ohne Frage ein hohes und zu schützendes Gut und ein elementarer Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft. Es ist aber auch ein nicht minder zu schätzendes Gut, den Schutz des Individuums und der Gruppe, zum Zwecke des gesellschaftlichen Friedens zu gewährleisten.

Die Religion, in der sich ein Mensch beheimatet fühlt und die Möglichkeit, seine Spiritualität auszuleben, bestimmen in nicht unerheblichem Maße die Identität eines Menschen. Der Prophet Mohammed (Friede Gottes sei mit ihm) ist ein Hauptpfeiler islamischer Identität. Er ist ein Teil unseres Bekenntnisses zum Glauben. Verletzungen dieses Identitätskerns durch Provokationen, die viele Menschen in diesem Land und in der Welt kränken, kann im Sinne der gesellschaftlichen Räson nicht hingenommen werden, auch wenn den Urhebern und Verbreitern der Karikaturen die Tragweite und Bedeutung der Karikaturen nicht bewusst gewesen sein mag.

So müssen wir erfahren, dass unter dem Vorwand, die Meinungsfreiheit verteidigen zu wollen, ein Keil zwischen dem friedlichen Zusammenleben aller in dieser Gesellschaft und den erfolgreichen Integrationsbemühungen getrieben wird. Wir Muslime wünschen die Integration und unterstützen sie nach Kräften. Sie ist ein menschlich sozialer Prozess, dessen Verwirklichung von mehreren Faktoren abhängt. In der Gesellschaft müssen Voraussetzungen geschaffen werden, damit sich alle Menschen, darunter auch die Minderheiten, sicher und wohl fühlen.

Sicherheit ist zweifelsohne nicht nur eine physische Kategorie, bei der die Menschen an die körperliche Unversehrtheit denken; sicher fühlt sich der Mensch auch, wenn seine Persönlichkeit und alles, was seine Identität ausmacht, vor Angriffen geschützt sind. Der heilige Koran verbietet den Muslimen ausdrücklich, die von Götzendienern angebeteten Götzen zu beleidigen. Denn dies wäre auch gleichzeitig eine Verletzung der tiefen Gefühle einer Gruppe von Menschen. Niemand hat das Recht, auch wenn er die Überzeugungen und den Glauben Andersdenkender nicht teilt, diese zu beleidigen und Verunglimpfungen auszusetzen. Es dürfte klar sein, dass sich Verhöhnung von Kritik unterscheidet. Nach den Lehren der Offenbarungsreligionen, nach dem Gesetz und den ethischen Grundsätzen hat keiner das Recht, die Mitmenschen zu beleidigen und zu beschimpfen.

Zur Zeit werden extremistische Ansichten unter einigen muslimischen Gruppierungen vertreten, die Integration sei ein unerreichbares Ideal und führe zum Verlust der islamischen Identität und bedeute den Verzicht auf religiöse Überzeugungen und Gefühle. Muslime werden aufgefordert, die Mehrheitsgesellschaft zu bekämpfen oder ihr zumindest den Rücken zu kehren.

Ihnen gegenüber stehen Menschen wie wir, die meinen, dass die Integration auf der Grundlage islamischer Rationalität und Mäßigung nicht nur möglich, sondern für beide Seiten notwendig ist. Und dies ist wichtig für die Muslime einerseits und für die europäische Gesellschaft andererseits. Beleidigungen des Andenkens des Propheten spielen extremistischen Ansichten zu, die die Polarisierung für sich nutzen, um Integrationsbemühungen zu unterbinden und so eine Kluft zwischen Muslimen und anderen Bürgern Europas zu schaffen.

So bedarf es keiner islamischen Motivation, um gegen diese Machenschaften Stellung zu beziehen. Jeder, der die Zusammengehörigkeit dieser Gesellschaft und das friedliche Zusammenleben der Menschen wünscht und sich um die höheren Interessen der Gemeinschaft sorgt, muss die Stimme des Protestes erheben. Daher sind die religiösen, intellektuellen und politischen Eliten der Gesellschaft aufgerufen, die gemeinsamen Errungenschaften des Integrationsgedankens, realisiert im Alltag und in vielen Projekten, zu schützen vor diesen zerstörerischen Kräften. Die alltägliche Realität des gesellschaftlichen Zusammenlebens zeigt das friedvolle Zusammenleben verschiedener Ethnien und Religionen. Überall gibt es Erfolge im Zusammenleben der Kulturen, die zweifellos das europäische Leben bereichern, die vor Jahren noch undenkbar erschienen. Wenngleich auch einige Berichterstatter das Skandalöse mehr interessiert als die allgegenwärtige Erfolgsgeschichte jahrzehntelanger Integration, darf das Errungene nicht aus einer Gewöhnung heraus vernachlässigt werden. Harmonisches Zusammenleben in Respekt ihrer Vielfältigkeit bedarf der Disziplin aller, sie auch verteidigen zu wollen.

Wir verurteilen die Beleidigungen, die die Verhöhnung des Propheten Mohammed (Friede Gottes sei mit ihm) zum Ziel hatten aufs Schärfste und ermahnen die Muslime, diese Ereignisse nicht zum Anlass zu nehmen, am begonnenen Weg zur Integration zu zweifeln und sich zu gesetzwidrigen und aggressiven Handlungen hinreißen zu lassen. Wir richten unser Wort an alle in Verantwortung stehenden: Eine leichtfertige Ausübung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung darf nicht gegen gesellschaftlichen Frieden ausspielt werden.

Quelle: Pressemitteilung von Ayatollah Seyyed Abbas Ghaemmaghami Imam und Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg Leitender Vorsitzender der Schura Hamburg

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