IW-Studie: Südeuropäer zweifeln immer stärker am politischen System
Archivmeldung vom 27.07.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn Südeuropa hat seit der Jahrtausendwende ein stetiger Vertrauensverlust in die staatlichen Institutionen eingesetzt: Aber auch in Ländern wie Frankreich oder Großbritannien glauben die Bürger immer weniger an das demokratische System und die liberale Wirtschaftsordnung, so das Ergebnis einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, über die die "Welt am Sonntag" berichtet. "Es gibt einen Teufelskreis aus ökonomischer Krise und Misstrauen in die Politik", sagte IW-Chef Michael Hüther.
Die IW-Forscher haben für 20 europäische Länder einen Vertrauensindex erstellt. Sie wollten ermitteln, wie stark das Vertrauen der Bürger in das jeweilige politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche System ihres Landes ist. Die Euro-Krisenländer Italien, Portugal und Griechenland stehen in diesem Vertrauensranking auf den Plätzen 18 bis 20.
"Mit dem Euro konnte eine Zeit lang das Vertrauensdefizit in einigen EU-Staaten kaschiert werden", sagte Hüther. In Krisenzeiten breche das Misstrauen nun wieder auf. "Zentral ist, ob auf ökonomische Krisen mit glaubwürdigen, wenngleich kurzfristig schmerzhaften Reformen reagiert wird", so Hüther.
Deutschland erreicht im Ranking den siebten Rang. Auf Platz eins liegt Dänemark vor Schweden und Finnland. "Diese Länder zeichnet die richtige Mischung aus Vertrauen und Kontrolle aus", sagte Studienautor Dominik Enste. Herausragende Werte erreichen die Länder auch beim menschlichen Miteinander. Das hingegen ist der Studie zufolge die größte Schwäche Deutschlands. Blickt man nur auf dieses Ranking, landet die Bundesrepublik auf Platz neun.
Innerhalb der deutschen Gesellschaft sind Hilfsbereitschaft und Fairness gegenüber den Mitbürgern zwar recht gut ausgeprägt, im Vergleich zu anderen Ländern mangelt es aber an Vertrauen in die Mitmenschen.
Für die insgesamt recht gute Platzierung Deutschlands sorgen die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre und die geringe Korruption. Der Glaube in das Wirtschaftssystem ist zuletzt spürbar gestiegen, Deutschland liegt in diesem Einzelranking auf Platz vier.
Die Faustformel für eine funktionierende Europäische Union ist laut dem IW Köln relativ einfach: Je höher das Bruttoinlandsprodukt, desto stärker das Vertrauen in Demokratie und Marktwirtschaft. Das verlorene Vertrauen im Süden Europas zurückzugewinnen wird dagegen Zeit in Anspruch nehmen. "Generell kann Vertrauen nur sehr langfristig aufgebaut werden", sagte Enste.
Der Vertrauensindex des IW Köln basiert auf verschiedenen internationalen Umfragen zum Thema Vertrauen und auf statistischen Daten internationaler Organisationen mit zumeist jährlichen Erhebungen im Zeitraum zwischen 2000 und 2014.
Quelle: dts Nachrichtenagentur