Deutscher IS-Kämpfer Martin Lemke: "Meine Frauen und ich, wir haben nie viele Probleme gehabt"
Archivmeldung vom 27.02.2019
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Freigeschaltet durch André OttLeonora kommt mit der kleinen Tochter Habiba auf dem Arm zum Interview. stern-Reporter Steffen Gassel traf die 19-jährige Drittfrau von Martin Lemke in einem Haftlager im Nord-Osten Syriens. Die anderthalbjährige Habiba weint. "Sie muss nach Hause, nach Deutschland", sagt Leonora. "In Deutschland gibt es Zahngel, hier nicht."
Was hat sie im Kalifat am meisten vermisst? "Deutsches Essen. McDonald's. Kartoffelklöße. Richtig ostdeutsche Hausküche. Und natürlich meine Eltern." Zwei Frauen von Martin Lemke leben heute im Lager al-Hol. Und seine sechs Kinder. Doch wie der stern exklusiv erfuhr: Zwei Söhne von Martin Lemke, drei Jahre und ein Jahr alt, leben elternlos im Lager. Lemke hat sie nach dem Tod seiner ersten Frau, der Französin Julie Maninchedda, auf der Flucht einer fremden Familie übergeben. Und weiß bis heute nicht, wo sie sind.
Lemke selbst sagte dem stern bei einem Interview im Gefängnis, dass das Leben in Raqqa anfangs "gut" war. Seine drei Frauen brachte er in drei Wohnungen in der Stadt unter: "Man muss der Frau ihre Rechte geben. Das heißt: Ich schlafe eine Nacht bei dieser Frau, eine Nacht bei dieser Frau, eine Nacht bei dieser Frau. Und die Frau möchte sich schön machen. Und wenn sie das vor der anderen Frau macht, bekommt die andere Frau vielleicht Eifersucht." Alle drei Frauen wurden schwanger, mehrfach. Doch dann begannen die Bombardierungen der Anti-IS-Koalition. Die Familie musste flüchten.
Und, anders als Lemke im Interview erzählt, war das Familienleben alles andere als harmonisch. Seine Frau Julie rief aus Syrien aufgelöst bei ihren Eltern in Frankreich an, Lemke würde sie schlagen. Im stern-Interview bestätigt auch Leonora, die Drittfrau Lemkes aus Sangershausen bei Leipzig, dass die beiden "sich ständig zofften". Hat Martin Lemke eine Schwangere geschlagen? "Ja, kann sein", sagt Leonora. Gegen sie sei er jedoch nie gewalttätig geworden.
Lemkes Frau Julie stirbt bei einem Bombenangriff, Sohn Dschaffar, neun Monate alt, wird schwer verletzt. Lemke übergibt das verwundete Kleinkind zusammen mit dem drei Jahre alten Bruder Shakir einer fremden usbekisch-syrischen Familie. "Babysitting" nennt er das. Und verliert den Kontakt. "Ich war 18, ich hatte auf einmal vier Kinder. Und ich war schwanger. Das hab ich nicht geschafft. Und dann ging die Hungerperiode beim IS los", sagt Leonora auf die Frage, warum die Familie die Jungen einfach weggab.
Quelle: Gruner+Jahr, STERN (ots)