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ROG: Todesstrafe gegen mauretanischen Blogger nicht vollstrecken

Archivmeldung vom 20.01.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.01.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Logo - Reporter ohne Grenzen e.V.
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Reporter ohne Grenzen (ROG) appelliert an Mauretaniens Oberstes Gericht, die Todesstrafe für den Blogger Mohamed Cheikh Ould M'Kheitir aufzuheben. Der seit drei Jahren inhaftierte M'Kheitir wurde Ende 2014 wegen eines vermeintlich islamkritischen Blogeintrags zum Tode verurteilt. Ein Berufungsgericht befand ihn inzwischen des Abfalls vom Glauben (Apostasie) für schuldig. Laut Medienberichten will der Oberste Gerichtshof in den kommenden Tagen über den Fall beraten und am 31. Januar das endgültige Urteil verkünden (http://t1p.de/capa).

"Mohamed Cheikh Ould M'Kheitir droht die Hinrichtung, weil er das Kastensystem in Mauretanien kritisiert hat", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Kritik an sozialen Missständen darf nicht unter dem Vorwand der Religion verfolgt werden. Mauretaniens oberste Richter müssen die Todesstrafe gegen M'Kheitir aufheben und den Blogger von allen Vorwürfen freisprechen."

M'Kheitir hatte einen anonymen Blogpost mit dem Titel "Religion, Religiosität und Handwerk" auf der Webseite Aqlame veröffentlicht. In dem Artikel kritisierte er die religiöse Legitimation des mauretanischen Kastensystems und bezog sich dabei auch auf eine Überlieferung über das Leben des islamischen Propheten Mohammed (http://t1p.de/6dyr).

Obwohl die Webseite den Blogpost nach kurzer Zeit löschte, wurde M'Kheitir am 2. Januar 2014 in der ostmauretanischen Hafenstadt Nouadhibou festgenommen und ist seitdem in Haft. Die Behörden begründeten seine Festnahme damit, dass M'Kheitir "respektlose Kommentare über den Propheten" gemacht und damit die "göttliche Ordnung" in Frage gestellt habe (http://t1p.de/ml7z). Am 24. Dezember 2014 wurde er nach einem zweitägigen Prozess wegen Prophetenbeleidigung und Heuchelei zum Tode verurteilt (http://t1p.de/vc5x).

M'KHEITIR KRITISIERTE KASTENSYSTEM UND SOZIALE DISKRIMINIERUNG

Während des Gerichtsprozesses betonte M'Kheitir, er habe niemals das Ansehen des Propheten beleidigen, sondern lediglich auf soziale Missstände aufmerksam machen wollen (http://t1p.de/7oaq). In dem Blogpost hatte er die Benachteiligung der Kaste der Schmiede kritisiert, der er selbst angehört.

Nach mauretanischem Recht können Abtrünnige vom Islam innerhalb von drei Tagen ihre Reue bekunden und zum Glauben zurückkehren. M'Kheitir betonte seine Treue zum Islam in Haft und vor Gericht mehrfach und sagte, der Artikel sei ein Fehler gewesen (http://t1p.de/7xci). Der mauretanische Präsident Mohamed Ould Abdel Aziz persönlich sagte im April 2014, er glaube nicht, dass M'Kheitir gewusst habe, wie gravierend seine Äußerungen gewesen seien (http://t1p.de/ammq).

Dennoch verurteilte das Gericht den Blogger in erster Instanz wegen Heuchelei, weil seine Reue nicht aufrichtig gewesen sei. Ein Berufungsgericht urteilte dagegen am 21. April 2016, der ursprüngliche Vorwurf der Apostasie sei berechtigt. Den Klagepunkt der Heuchelei gab es zur Prüfung an den Obersten Gerichtshof weiter (http://t1p.de/fb5j). Dieser vertagte den Prozess im Dezember 2016. Sollte die Todesstrafe nun bestätigt und vollstreckt werden, wäre dies die erste Hinrichtung in Mauretanien seit 1987 und das erste Todesurteil wegen Apostasie seit der Unabhängigkeit 1960. (http://t1p.de/ml7z).

ISLAMGELEHRTE FORDERN VOLLSTRECKUNG DER TODESSTRAFE

Der Blogpost hatte schon kurz nach seiner Veröffentlichung wütende Proteste im ganzen Land ausgelöst. Eine Vereinigung von Predigern und Islamgelehrten forderte in einem religiösen Rechtsgutachten die Todesstrafe "entsprechend dem Gesetz Gottes" (http://t1p.de/s0eq). Familienmitglieder und Unterstützer M'Kheitirs sehen sich bis heute Todesdrohungen ausgesetzt. Seine Eltern beantragten vergangenen Monat politisches Asyl in Frankreich (http://t1p.de/mieq). Drei seiner Anwälte legten den Fall wegen Morddrohungen nieder (http://t1p.de/pmjj).

Nach Angaben seines aktuellen Anwalts wurde M'Kheitir in Haft gefoltert. Sein Gesundheitszustand verschlechtere sich stetig (http://t1p.de/7xci). Die US-Organisation Freedom Now erklärte, er sei an Malaria erkrankt. Mehrfach habe man ihn in der Haft bedroht oder unter anderem durch vergiftetes Essen versucht, ihn zu ermorden (http://t1p.de/fb5j).

In den vergangenen Monaten mobilisierten islamistische Bewegungen tausende Demonstranten, die die Vollstreckung der Todesstrafe fordern. Der bekannte Dichter Douh Ould Beyrouck kündigte an, M'Kheitir im Falle einer Freilassung selbst zu ermorden (http://t1p.de/0s7n).

KASTENSYSTEM BLEIBT SENSIBLES THEMA

In den vergangenen Jahren hat sich die Situation der Pressefreiheit in Mauretanien insgesamt verbessert: Seit dem Sturz des langjährigen Präsidenten Maaoya Sid'Ahmed Taya 2005 wurden Zensur und bürokratische Hürden für die Gründung privater Medien abgeschafft. 2011 strich das Parlament die Gefängnisstrafe für Verleumdung aus dem Gesetz. Das Kommunikationsministerium liberalisierte die Regulierung der Rundfunksender und lizenzierte zuletzt einige private Sender (http://t1p.de/rtr8).

Dennoch gehen Behörden immer wieder gegen kritische Journalisten vor. So wurden Jedna Ould Deida, Chefredakteur der Website Mauriweb.info, und Babacar Baye Ndiaye, Administrator des Portals Cridem.org, im vergangenen April wegen angeblicher Verleumdung des Präsidentensohnes Badr Ould Abdel Aziz festgenommen. Sie hatten berichtet, Abdel Aziz habe auf einen Schafhirten geschossen (http://t1p.de/qy47). Das Internetgesetz von 2015 ermöglicht ein restriktives Vorgehen gegen Blogger und Journalisten, die "politisch sensible Informationen" im Internet verbreiten (http://t1p.de/rtr8).

Insbesondere das Kastensystem ist nach wie vor ein sensibles Thema. Auch wenn die Sklaverei offiziell seit 1981 verboten ist und seit 2007 unter Strafe steht, leben nach Angaben des Global Slavery Index der Stiftung Walk Free nach wie vor mindestens 43.000 Menschen in Sklaverei. Davon sind insbesondere Kinder betroffen, die in den Sklavenstatus hineingeboren werden (http://t1p.de/v3ib). Andere Schätzungen wie die der mauretanischen Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei (IRA) gehen von bis zu einer halben Million versklavter Menschen aus (http://t1p.de/ply1). Die Mehrheit der Sklaven stammt aus der Kaste der Schmiede, der auch M'Kheitir angehört (http://t1p.de/z3fw).

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Mauretanien aktuell auf Platz 48 von 180 Ländern. Weitere Informationen zur Lage der Journalisten in Mauretanien finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/mauretanien.

Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)

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