Nordafrika: ROG verurteilt Angriffe gegen Medienvertreter und Ausweitung der Internetzensur
Archivmeldung vom 24.02.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittJournalisten, die über die Unruhen in Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas berichten, waren in den vergangenen Wochen massiven Repressionen ausgesetzt. In Libyen, im Jemen, in Bahrain, im Iran, im Irak und in Algerien versuchen die Regierungen, die Medienmitarbeiter an ihrer Arbeit zu hindern: Reporter ohne Grenzen (ROG) dokumentierte in den vergangenen zwei Wochen zahlreiche tätliche Übergriffe gegen Journalisten und Festnahmen durch Sicherheitskräfte und Unterstützer der Regierungen. Zudem wurde in den meisten der Staaten die Online-Überwachung verschärft.
ROG verurteilt die Repressionen scharf und fordert mehr Respekt gegenüber der Arbeit der Journalisten. "Die Regierungen greifen auf Mittel der Gewalt und Einschüchterung zurück, um Berichte über die Proteste, die von den Ereignissen in Ägypten und Tunesien inspiriert sind, zu verhindern. Wir fordern alle Seiten auf, der Arbeit von Journalisten mehr Achtung entgegenzubringen. Die Öffentlichkeit in diesen Ländern hat ein Recht auf unparteiische und unabhängige Informationen", so ROG.
In Libyen ist der von den Behörden verhängte Nachrichtenblackout weiter wirksam. Es ist für Journalisten praktisch unmöglich, ihrer Arbeit nachzugehen. Die wenigen ausländischen Korrespondenten, die bereits vor Ausbruch der Krise im Land waren, stehen unter starker Überwachung. Eine Reihe von ausländischen Journalisten versucht nun, von Tunesien aus nach Libyen zu gelangen.
Das Programm von "Al-Dschasira" wird seit dem 20. Februar gestört. Der Nachrichtensender vermutet hinter den Sendeunterbrechungen den libyschen Geheimdienst. Die Programme der libanesischen TV-Stationen "National Broadcasting Network", "Al-Jadeed" und "Al-Manar" wurden nach eigenen Angaben ebenfalls gestört.
Der libysche Zeitungsjournalist Atif al-Atrasch gilt nach einem Interview mit Al-Dschasira seit dem 18. Februar als vermisst. Der Mitarbeiter der Zeitung "Quryna" hatte mit dem in Katar ansässigen Sender über die Demonstrationen in der Hafenstadt Bengasi im Norden des Landes gesprochen. In der vergangenen Woche waren zudem einige lokale Journalisten kurzzeitig verhaftet worden.
Nach Informationen von Netzwerk-Sicherheitsfirmen wurde das Internet in dem nordafrikanischen Land seit dem 18. Februar mehrmals abgeschaltet. Offenbar sind auch alle Telefondienste - Festnetz und Mobilfunk - seit dem 21. Februar unterbrochen.
Auch im Jemen sind die Anti-Regierungsdemonstrationen seit Ende Januar begleitet von einer Serie der Gewalt gegen Medienvertreter. 15 Journalisten wurden bereits Ende Januar festgenommen. Am 18. Februar wurden weitere 18 Medienmitarbeiter verhaftet - sie arbeiten alle für die in Aden ansässige unabhängige Zeitung "Al-Jakeen". Das Blatt hatte zuvor in großem Umfang über die jüngsten Demonstrationen in dem vorderasiatischen Land berichtet und auch die Namen von getöteten oder verletzten Menschen aufgelistet. Seit dem 11. Februar zählt ROG darüber hinaus mindestens 19 tätliche Angriffe auf einheimische und ausländische Journalisten - in den meisten Fällen durch Anhänger der Regierungspartei und Sicherheitskräfte.
In Bahrain schossen am 18. Februar Scharfschützen aus einem Helikopter heraus auf einen Reporter und einen Kameramann der "New York Times". Die Journalisten beobachteten und filmten die gewaltsame Niederschlagung der Demonstrationen auf dem Perlenplatz der Hauptstadt Manama. Am selben Tag und am selben Ort wurde ein Mitarbeiter des US-amerikanischen Fernsehsenders "ABC News" angegriffen und geschlagen, seine Kamera wurde konfisziert. Mehreren ausländischen Journalisten wurde an diesem Tag nach ihrer Ankunft auf dem Flughafen von Manama zudem die Einreise in das Land verwehrt.
Im Iran hat das Regime die Zensur der Neuen Medien seit den Protesten am 20. Februar wieder verschärft: Die Geschwindigkeit der Internetverbindungen wurde stark gedrosselt und in einigen Teilen Teherans, Isfahans, Schiras und Maschads sogar vollständig gekappt. SMS-Dienste sind ebenfalls seit dem 20. Februar unterbrochen. Die Behörden versuchen damit, vor allem den Zugriff auf den Kurznachrichtendienst Twitter zu verhindern. Die Übertragung der Programme von BBC und "Voice of America" unterliegt starken Störungen. Unabhängige Nachrichtenseiten und oppositionelle Seiten sind Cyberattacken ausgesetzt.
Quelle: Reporter ohne Grenzen