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Russlands Oppositionspolitiker Jawlinski: Der Westen hätte viel früher auf den autokratischen Kurs Putins reagieren müssen

Archivmeldung vom 03.02.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.02.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Grigori Jawlinski
Grigori Jawlinski

Foto: Skilpaddle
Lizenz: CC BY 3.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der Westen hätte nach Einschätzung des russischen Ökonomen und Poitikers Grigori Jawlinski viel früher auf den autokratischen Regierungsstil Putins reagieren müssen. In einem Interview für die Online-Ausgabe des Wirtschaftsmagazins 'Capital' sagte Jawlinski: "Vielleicht hätte sich Putin ganz anders verhalten, wenn er früher auf Widerstand gestoßen wäre. Aber so konnte er in den letzten Jahren doch eigentlich machen, was er wollte im Inneren Russlands. Solange die Geschäfte gut liefen, haben doch alle im Westen den Mund gehalten, vor allem in der Wirtschaft."

Außerdem kritisierte der Oppositionspolitiker die falschen Ambitionen des Westens, das russische Machtgefüge ändern zu wollen: "Es gab damals eine richtige Euphorie in den gemeinsamen Beziehungen. Der Westen wollte damals in Russland ein System des politischen Wettbewerbs etablieren - mit einem normalen Regierungswechsel alle paar Jahre. Genau deshalb aber fürchtet Putin heute den Westen so stark: Er will verhindern, dass es zu politischem Wettbewerb in Russland kommt und am Ende zu einem Machtwechsel. Deshalb versucht Putin mit aller Macht, Russland vom Westen abzuschirmen. Denn mit einem Machtwechsel würden in Russland sehr viele Leute ihr gesamtes Vermögen verlieren."

Für die russische Wirtschaft erwartet Jawlinski eine schwere Zeit. Die weitere Entwicklung hänge "hauptsächlich vom Ölpreis und von den westlichen Sanktionen ab". Das seien die beiden entscheidenden Parameter neben den erheblichen strukturellen und institutionellen Problemen in der russischen Wirtschaft. "Das Jahr 2015 wird ein sehr schweres Jahr für Russland." Daran könnten auch die Währungsreserven und der Reservefonds nichts ändern. Putin könne Geld in die Wirtschaft pumpen, "aber das wird nicht lange reichen. Für ein Jahr? Vielleicht. Für zwei Jahre? Vielleicht auch noch. Aber nicht länger."

Die Privatisierungen des sowjetischen Staatsvermögens in den frühen 90er-Jahren hält Jawlinski überwiegend für kriminell. Gegenüber 'Capital' sagte er: "1991, 1992 und mehr noch 1995 haben sich einige Russen die Aktien von Rohstoffkonzernen und Industriebetrieben für ein Butterbrot angeeignet. Die ganze Privatisierung war vom Anfang bis zum Ende hundert Prozent kriminell, eine Sache von Betrügern." Als Boris Jelzin 1996 als Präsident Russlands wiedergewählt wurde, sei es den neuen Besitzern dieser Konzerne nur um die einzige Frage gegangen, wie sie sicher stellen, dass ihr kriminell erworbenes Eigentum auch sicher bleibt. Deshalb sei Ende 1999 Wladimir Putin ans Ruder gekommen als eine Art Wächter für die privatisierten Milliardenvermögen. "Und so ist es bis heute: Putin entscheidet, wer sein Geld behalten darf und wer nicht."

Und Wladimir Putin könne sie deshalb alle jederzeit unter politischen Druck setzen und beliebig manipulieren. Es sei ein westlicher Irrglaube, mit privatem Eigentum werde es automatisch zu einer Gewaltenteilung in Russland kommen, zu einer unabhängigen Justiz. "Das alles ist nicht passiert - und wird auch nicht passieren, solange Putin regiert. Der wilde Kapitalismus in Russland, den wir heute haben, ist nicht weniger gefährlich als der wilde Kommunismus vorher."

Quelle: Capital, G+J Wirtschaftsmedien (ots)

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