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Joschka Fischer: "So kann es nicht weitergehen - Europa muss sich neu erfinden"

Archivmeldung vom 01.06.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.06.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: "obs/ZDF/Torsten Groß"
Bild: "obs/ZDF/Torsten Groß"

"Wenn der Brexit abgewehrt wird, wird man Europa neu erfinden müssen. Genauso, wenn die Briten gehen. Egal wie diese Entscheidung ausfällt: So kann es nicht weitergehen, so werden die Nationalisten immer stärker." Das sagt der ehemalige deutsche Außenminister und Europa-Vordenker Joschka Fischer gegenüber "ZDFzoom".

In der Dokumentation "Gemeinschaft war gestern - Europa ohne Zukunft", die am Mittwoch, 1. Juni 2016, um 22.45 Uhr, im ZDF zu sehen ist, findet Fischer klare Worte: "Einerseits gibt es das Effizienz-Defizit der Union: Die Union kann nicht liefern, was die Menschen erwarten, weil das die Nationalstaaten ehrlich gesagt auch nicht zulassen. Und auf der anderen Seite gibt es aber das große Sinn-Defizit: Wohin will dieses Europa? Was ist sein Zweck?"

Am 23.Juni stimmen die Briten über ihren Verbleib in der EU ab. Und viele fragen sich: Ist das der Anfang vom Ende der Gemeinschaft? Im Interview mit "ZDFzoom" bezeichnet Joschka Fischer die Debatte über den Austritt Großbritanniens als Chance. Denn sie zwinge Europa, sich neu zu definieren. Nach Meinung Fischers müsse die Reform eine engere Zusammenarbeit zum Ziel haben. Der ehemalige Außenminister wörtlich: "Eine Neuverteilung der Macht zwischen Nationalstaaten und Europa, eine Neuverteilung auch des Geldes, auch das wird eine Rolle spielen, und eine Neuverteilung auch der Souveränität." Weiter zeigt sich Fischer überzeugt, dass Deutschland und Frankreich vorangehen sollten: "Ich glaube, wichtig wäre, sich mit den Franzosen an einen Tisch zu setzen und zu sagen: 'So Freunde, jetzt mal hinter verschlossenen Türen, Klartext. Wir haben ein Problem, unser Geld zu vergemeinschaften. Ihr habt ein Problem staatliche Macht weiter zu vergemeinschaften. Können wir uns da einigen?'".

Mit Blick darauf, dass auf Gipfeln der EU-Staats- und Regierungschef immer weniger Kompromissbereitschaft herrsche, mahnt der ehemalige EU-Ratspräsident Fischer, das Projekt Europa dürfe nicht an Nationalismen scheitern: "Europa ist vor allen Dingen eine große Friedensordnung. Und Europa ist gebaut gegen den Nationalismus. Europa ist der immerwährende Kompromiss. Kompromiss heißt: sich mit den Nachbarn vertragen. Alle haben so ihre Marotten. So ist das halt im Leben."

Quelle: ZDF (ots)

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