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Venezuela: Bereits 40 Angriffe auf Reporter in diesem Jahr

Archivmeldung vom 04.10.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.10.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Flagge von Venezuela
Flagge von Venezuela

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Vor der Präsidentschaftswahl in Venezuela am Sonntag (7. Oktober) macht Reporter ohne Grenzen auf die schwierige Situation für Journalisten in dem lateinamerikanischen Land aufmerksam. "Die Medien sind extrem polarisiert zwischen staatlichen und privaten Sendern. Beleidigungen und Verunglimpfungen der Gegenseite sind an der Tagesordnung", so ROG in Berlin. "In dieser aufgeheizten Atmosphäre werden Journalisten immer öfter Ziel politisch motivierter Gewalt. Allein in diesem Jahr zählen wir bereits rund 40 gewaltsame Angriffe auf Reporter und Redaktionen." Anfang September hat Venezuela die Amerikanische Menschenrechtskonvention (AMRK) aufgekündigt, was ROG sehr bedauert.

Reporter ohne Grenzen verurteilt die Praxis der so genannten cadenas, ausufernder Ansprachen des seit 1999 regierenden Präsidenten Hugo Chávez, die sämtliche Rundfunksender gleichzeitig und in voller Länge ausstrahlen müssen. Von Januar bis August 2012 machten sie in der Summe etwa 136 Stunden des Programms aus. Das sind fast vier Stunden pro Woche - das wöchentliche, ebenfalls oft mehrstündige Programm "Aló Presidente" am Sonntag nicht eingerechnet. "Die Ausstrahlung von cadenas in ihrer derzeitigen Form sollte sich auf einen einzigen staatlichen Fernsehsender beschränken", so ROG, "andernfalls müssen sie stark gekürzt werden".

Durch strenge Mediengesetze und empfindliche Geldstrafen hat Präsident Chávez die einflussreichen - und in der Regel oppositionellen - privaten Rundfunksender zum großen Teil unter Kontrolle gebracht. 2010 ließ er das "Gesetz über die Verantwortung in Hörfunk und Fernsehen" ("Ley Resorte") verschärfen und auf das Internet ausweiten. Es stellt Botschaften unter Strafe, die "zu Hass anstiften", "Unruhe in der Bevölkerung verbreiten" und "Amtsträger herausfordern". Seither sind nicht nur traditionelle Medien, sondern auch Betreiber und Provider von Internetseiten für Inhalte haftbar, die sie verbreiten - also auch für Lesermeinungen und Kommentare.

Problematisch ist nicht nur die sehr vage Formulierung des Gesetzes, sondern auch seine selektive Anwendung. Es richtet sich fast ausschließlich gegen regierungskritische Medien, wie zuletzt der Fall des privaten Fernsehsenders Globovisión zeigte. Im Juni bestätigte das Oberste Gericht eine Geldstrafe von mehr als zwei Millionen US-Dollar gegen den Sender. Globovisión hatte über Gefängnisaufstände berichtet, bei denen im Juni 2011 rund 30 Menschen ums Leben gekommen waren. Auch die Verfahrenskosten von rund einer Million US-Dollar soll der Sender tragen. "Eine so unverhältnismäßig hohe Strafe bedroht die Existenz der Redaktion", kritisiert Reporter ohne Grenzen.

Bereits im August 2009 hatten 34 lokale Radio- und Fernsehsender "aus technischen und administrativen Gründen" ihre Lizenz verloren. Gleichzeitig treiben die Behörden den Aufbau eines staatlich kontrollierten Rundfunksystems voran. Es besteht derzeit aus sechs Fernseh- und drei Radiosendern, die Kritik an der Regierung als "Beleidigung des Volkes" und "Destabilisierung der Nation" brandmarken. Reporter ohne Grenzen ruft beide Seiten zu besonnener und ausgewogener Berichterstattung auf - nicht nur im Wahlkampf.

Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)

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