BND-Präsident Uhrlau über die Tötung des Terroristenführers Sarqawi, den Besuch deutscher Beamter in Guantánamo und die Bespitzelung von Journalisten
Archivmeldung vom 13.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Ernst Uhrlau, hat die Bespitzelung von Journalisten durch den deutschen Auslandsgeheimdienst als "Schandfleck auf unserer Weste" bezeichnet. Uhrlau, der sich zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt in einem Interview äußert, macht zugleich deutlich, dass er die Beschattung von Journalisten zum Zwecke der Eigensicherung des Geheimdienstes nicht grundsätzlich für ausgeschlossen hält.
"Als BND müssen wir uns
um unser eigenes Leck kümmern und dieses unter Beobachtung nehmen.
Nur wenn das erfolglos bleibt, kann ich mich an die Fersen jener
Personen heften, die das Geheimmaterial öffentlich machen und
verbreiten", sagt er der ZEIT.
Damit zieht der BND-Präsident andere Konsequenzen aus der jüngsten
Affäre als das Bundeskanzleramt. Dieses hatte dem BND noch Mitte Mai
die kategorische Weisung erteilt, künftig "keine operativen
Maßnahmen" mehr gegen Journalisten zu ergreifen.
Uhrlau plädiert für eine bessere interne Kontrolle heikler
Operationen. "Die Maßnahmen zur Eigensicherung sowie sämtliche Fälle
mit politischer Relevanz müssen mir als Amtschef automatisch zur
Genehmigung vorgelegt werden" sagt er. Und: "Vor dem Privatbereich
des Journalisten muss ich deutlich Halt machen. Hier haben wir in der
Vergangenheit über die Stränge geschlagen und viel Reputation
verloren."
Die Tötung des Terroristenführers Abu Mussab al-Sarqawi bewertet
der Geheimdienstchef als Schwächung des Terrornetzwerks al-Qaida.
"Leute wie bin Laden und Sarqawi sind wichtige Symbolfiguren für
al-Qaida und ihr terroristisches Netzwerk, und sie haben große
mediale Bedeutung. Bricht eine dieser Symbolfiguren heraus, entfällt
auch ein Teil der öffentlichen Wirkung", sagt Uhrlau.
Eine erhöhte Terrorgefahr für die Fußballweltmeisterschaft in
Deutschland sieht Uhrlau nach der Tötung Sarqawis eher nicht. "Wir
haben deshalb größte Anstrengungen unternommen, um uns vor bösen
Überraschungen zu schützen. Es ist so gut wie unmöglich, in den
Stadien Vorbereitungen für einen terroristischen Anschlag zu
treffen."
Uhrlau, der bis zum Herbst 2005 Geheimdienstkoordinator im
Kanzleramt war, rechtfertigt erstmals den Besuch deutscher
Geheimdienstler im US-Gefangenenlager Guantánamo im Jahr 2002: "Sie
dürfen Guantánamo 2002 doch nicht mit den Augen von 2006 sehen. Es
war die Zeit kurz nach den Anschlägen auf das World Trade Center, mit
maßgeblicher Beteiligung der so genannten "Hamburger Zelle". Niemand
ahnte damals, dass Guantánamo auf lange Zeit bestehen würde." Er
betont zugleich, das Gespräch mit dem gefangenen Bremer Türken Murat
Kurnaz sei "absolut freiwillig" gewesen.
Von der Entführungsflügen der CIA, die auch über deutsche
Flughäfen führten, habe Uhrlau und der Rest des Kanzleramts erst "aus
den Medien" erfahren. "Wir hatten keine eigenen Erkenntnisse über
Flüge in oder über Deutschland", sagt Uhrlau.
Quelle: Pressemitteilung DIE ZEIT