Zitrussektor wird Lackmustest für Lieferkettengesetz
Archivmeldung vom 10.06.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićFehlender Zugang zu Trinkwasser, akute Pestizidvergiftungen, Schikane von Gewerkschaftsvertreter - das sind nur einige Beispiele für massive Arbeitsrechtsverletzungen auf Zitrusfarmen in Südafrika. Die heute veröffentlichte Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der südafrikanischen Organisation Khanyisa belegt die Notwendigkeit eines effektiven Lieferkettengesetzes.
Die untersuchten Produzenten beliefern auch deutsche Supermärkte von Edeka, Rewe, Lidl und Netto."Die Lieferketten sind vergleichsweise kurz und für den deutschen Einzelhandel sehr gut rückverfolgbar", erläutert Benjamin Luig, Autor der Studie. Aufgrund ihrer Marktmacht hätten die deutschen Supermarktkonzerne starke Einflussmöglichkeiten, würden diese jedoch allein zu ihren Gunsten ausnutzen.
"Lidl, Rewe und Co. setzen die Zulieferer durch problematische Handelspraktiken wie kurzfristige Lieferverträge und das Nachverhandeln von Preisen unter Druck. Besser wäre es, sie würden ihren Einfluss nutzen, um sich für die Durchsetzung der Arbeitnehmerrechte auf den Farmen stark zu machen", so Luig. Zwar verlangten die deutschen Unternehmen von den südafrikanischen Produzenten die Zertifizierung mit dem Sozialstandard SIZA (Sustainability Initiative of South Africa), dieser sei jedoch nicht in der Lage, geltendes Arbeitsrecht durchzusetzen.
"Die Liste der Verletzungen von Arbeitsrechten auf den Farmen ist lang", meint Simphiwe Dada, Direktor der südafrikanischen Nichtregierungsorganisation Khanyisa. "Auf einer Farm erhalten die Beschäftigten keine eigene Kopie des Arbeitsvertrags. Auf einer anderen Farm verhindert ein elektrisch geladenes Tor, dass die Beschäftigten die Farm jederzeit verlassen können. Auf wieder einer anderen Farm wurde kürzlich ein Vertreter der Gewerkschaft unter fadenscheinigen Gründen gefeuert." Besonders bedenklich sei der fehlende Zugang zu sauberem Trinkwasser, der sich mit der aktuellen Wasserkrise im Ostkap massiv verschärft habe.
"Die schlimme Situation auf Zitrusfarmen in Südafrika steht beispielhaft für die Zustände in vielen Lieferketten, deren Produkte deutsche Supermärkte erreichen", sagt Jan Urhahn, Agrarexperte der Rosa-Luxemburg-Stiftung. "Wenn auf einer Zitrusfarm nachweislich eine ganze Reihe hochgefährlicher Pestizide eingesetzt werden und es zu akuten Vergiftungen unter den Beschäftigten und deren Familien kommt, dann berührt das die Sorgfaltspflicht von deutschen Supermarktkonzernen", so Urhahn. Er verweist auf das Lieferkettengesetz, das aktuell im Bundestag verhandelt wird und mit hoher Wahrscheinlichkeit noch in dieser Woche verabschiedet werden soll. "Wir sehen den südafrikanischen Zitrussektor als einen Lackmustest für das deutsche Lieferkettengesetz. Hier wird sich zeigen, ob Lidl, Rewe und andere Konzerne verpflichtet werden, für ihre Lieferketten Verantwortung zu übernehmen und grundlegende Arbeitsrechte durchzusetzen. Wenn nicht, dann ist das Lieferkettengesetz ein zahnloser Tiger."
Zwischen Juni und Oktober füllen Orangen, Zitronen und Mandarinen aus Südafrika die Supermarktregale in Deutschland. Mit einem Exportvolumen von 80.400 Tonnen im Jahr 2020 ist Südafrika nach Spanien der zweitwichtigste Lieferant von Zitrusfrüchten für den deutschen Markt. In der Studie "Bittere Orangen" wurden die Lebens- und Arbeitsbedingungen bei Produzenten in der Provinz Ostkap in Südafrika untersucht, die Einzelhandelsgruppen wie Edeka, Rewe und Lidl beliefern.
"Bittere Orangen. Der Export von Zitrusfrüchten von Südafrika nach Deutschland": www.rosalux.de/orangen. Die Studie ist Teil einer Publikationsreihe der Rosa-Luxemburg-Stiftung, in der bereits Lieferketten von Tee und Wein untersucht wurden.
Quelle: Rosa-Luxemburg-Stiftung (ots)