Juncker sieht nach Brexit noch wichtigere Rolle Deutschlands
Archivmeldung vom 25.06.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDeutschland wird nach den Worten von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der EU nach dem Ausscheiden der Briten wahrscheinlich "eine noch wichtigere Rolle spielen". In einem Interview mit "Bild" forderte Juncker zugleich eine Strategie gegen populistische Bestrebungen in der EU. "Deutschland wird auch weiterhin eine zentrale, wenn nicht sogar eine noch wichtigere Rolle in der Europäischen Union spielen", sagte Juncker in dem "Bild"-Interview.
Befürchtungen, die EU werde künftig von einer Achse Paris-Rom-Madrid bestimmt, trat Juncker entgegen. "Genauso wenig wie die EU bisher von Großbritannien bestimmt wurde, wird sie künftig von einem anderen Trio geleitet werden. Das Charmante an der Europäischen Union ist, dass am Ende alle Nutzen aus dem gemeinsamen Projekt ziehen und nicht nur einige wenige."
Zu den Konsequenzen aus dem Brexit-Votum sagte Juncker, die EU brauche jetzt nicht mehr oder weniger Europa. "Wir brauchen ein besseres Europa." Die Union müsse die Chance nutzen, "klüger aus dieser Situation hervorzugehen". Beim EU-Gipfel kommende Woche müsse eine offene und ehrliche Diskussion darüber geführt werden, "wie wir besser auf die Sorgen der Menschen in Europa eingehen und populistischen Bewegungen mit vereinten Kräften und entschieden entgegenwirken können".
Mögliche Austritts-Referenden auch in anderen EU-Staaten seien nicht auszuschließen, "da Populisten in der Regel keine Gelegenheit auslassen, um mit viel Lärm für ihre Anti-Europa Politik zu werben", sagte Juncker gegenüber "Bild". "Allerdings könnten die Auswirkungen des britischen Referendums solch plumper Hetze schnell ein Ende bereiten. Es dürfte sich nämlich rasch zeigen, dass es Großbritannien in der EU besser ging - wirtschaftlich, sozial und außenpolitisch."
Juncker: Brexit nicht Anfang vom Ende der EU
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sieht in dem Brexit-Votum der Briten nicht den Anfang vom Ende der EU. In einem Interview mit "Bild" kritisierte Juncker zugleich den britischen Premierminister David Cameron, weil er das Referendum ins Leben gerufen hatte. Auf die Frage, ob die Brexit-Entscheidung der Anfang vom Ende der EU sei, sagte Juncker: "Mit Sicherheit nicht." Die Europäische Union habe "jahrzehntelange Erfahrung darin, Krisen zu überwinden und ist immer gestärkt daraus hervorgegangen". Entscheidend sei nun, dass sich die EU darauf konzentriere, "was Europa für die Menschen leisten kann: Investitionen ankurbeln, Arbeitsplätze schaffen und gemeinsam für die Sicherheit unserer Bürger sorgen".
Die europäische Familie sei zwar nicht perfekt. "Aber sie ist das Beste, was wir haben, um die Länder Europas an einem Tisch zu versammeln und Kompromisse zu schmieden, damit die Menschen hier in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben", sagte Juncker gegenüber "Bild". "Großbritannien wird uns an diesem Familientisch fehlen."
Heftige Kritik übte der EU-Kommissionspräsident am scheidenden britischen Premierminister Cameron. Über den Ausgang brauche man sich nicht zu wundern. "Denn wenn jemand von Montag bis Samstag über Europa schimpft, dann nimmt man ihm auch am Sonntag nicht ab, dass er überzeugter Europäer ist." Brüssel trage keine Verantwortung für den Ausgang des Referendums. "Das Referendum wurde vom britischen Premierminister einberufen und nicht vom Europäischen Parlament, der Kommission oder dem Europäischen Rat." Die EU habe "alles getan, um den Positionen David Camerons entgegenzukommen". Er und seine Mitarbeiter hätten "unzählige Stunden und Nächte damit verbracht, ein Abkommen auszuhandeln, das fair war gegenüber Großbritannien und gegenüber den anderen 27 Mitgliedstaaten". Juncker: "Ich war dann doch sehr verwundert, als ich feststellen musste, dass dieses Abkommen in der Kampagne in Großbritannien überhaupt keine Rolle gespielt hat."
Quelle: dts Nachrichtenagentur