Sturmgewehr G36 für Mexiko: Deutsche Kriegswaffenexporte verletzten Auflagen des Auswärtigen Amtes
Archivmeldung vom 15.09.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas Mexiko-Geschäft des Rüstungskonzerns Heckler und Koch bekommt neben dem laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren nun auch eine politische Dimension. Bei der Lieferung von mehr als 10.000 Sturmgewehren vom Typ G36 an mexikanische Polizeieinheiten wurden Auflagen des Bundesaußenministeriums nicht eingehalten.
Das Auswärtige Amt hatte unter Minister Frank Walter Steinmeier (SPD) Bedenken gegen den Export der Kriegswaffen erhoben, diese aber gegen eine Auflage von 2006 bis 2009 immer wieder zurückgestellt. Diese Auflage wurde nach Recherchen von "Report Mainz" nicht eingehalten. 2005 hatte das Auswärtige Amt (AA) noch den Export von G36 an die mexikanische Polizei abgelehnt. Das Auswärtige Amt war der Auffassung, dass die mexikanische Polizei die Menschenrechte verletze. Deshalb lehnte es den Exportantrag von Heckler und Koch ab. 2006 fiel das Votum des AA dann positiv aus, unter der Bedingung dass der Exportgrundsatz "neu für alt" umgesetzt wird. Damit schrieb das AA vor, dass die mexikanische Polizei für neu gelieferte G36 alte Waffen vernichten sollte. Unter dieser Bedingung erteilte die Bundesregierung der Firma Heckler und Koch in der Zeit zwischen 2006 und 2009 achtmal eine Genehmigung zur Lieferung von G36 nach Mexiko, insgesamt für mehr als 10.000 Stück. Im gleichen Zeitraum wurden aber, nach Informationen von "Report Mainz", lediglich 600 alte Kurz- und 700 zum Teil verrostete Langwaffen eingeschmolzen, darunter auch Kalaschnikovs vom Typ AK-47, die nie von der mexikanischen Polizei genutzt wurden. Die letzte Genehmigung für Exporte nach Mexiko erteilte das Bundeswirtschaftsministerium Heckler und Koch am 13. April 2010. Heckler und Koch bestätigt "Report Mainz" gegenüber, dass das Unternehmen seither keine Geschäftsbeziehungen mehr nach Mexiko unterhält, nahm aber zu dem Thema "neu für alt" nicht Stellung.
Rainer Arnold, der verteidigungspolitische Sprecher und Obmann der SPD-Bundestagsfraktion, teilt "Report Mainz" auf Anfrage mit: "Ich denk, da sind Fehlentscheidungen getroffen worden, weil nicht wirklich "neu für alt" gemacht wurde, sondern Schrottwaffen vernichtet wurden. Da kann Politik nur sagen: Es war falsch. Darf sich nicht wiederholen." Für die Bundestagsfraktion der Grünen erklärte Agnieszka Brugger: "Aus meiner Sicht wird hier eine große Heuchelei mit dem Grundsatz 'neu für alt' betrieben und er wird eigentlich nur als Alibi missbraucht, um ein Waffengeschäft zu kaschieren." Jan van Aken, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Rüstungsexperte der Linksfraktion im Bundestag, sagte im Interview: "Ja, ich fass mir doch an'n Kopf wie einfach so richtig massive Bedenken im Auswärtigen Amt einfach weggewischt werden. Da baut man sich eine Lebenslüge und sagt, naja, da werden ja alte Gewehre vernichtet und plötzlich wird ein Nein für eine Lieferung in ein Ja verwandelt. Und das innerhalb von wenigen Monaten. Das geht überhaupt nicht."
Das Auswärtige Amt erklärte schriftlich gegenüber "Report Mainz": "Die Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland spielt bei der Entscheidungsfindung eine hervorgehobene Rolle." Darüber hinaus verweist das Auswärtige Amt an das Bundeswirtschaftsministerium, das für Kriegswaffenexporte federführend die Anträge bearbeitet. Das Wirtschaftsministerium teilt "Report Mainz" auf Anfrage schriftlich mit: "Für Details zu den Aktionen müssten Sie sich an die die Aktionen durchführende mexikanische Seite wenden. Die Bundesregierung begrüßt es, dass die mexikanischen Behörden Altwaffen zerstören."
Das berichtet das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" in seiner heutigen Ausgabe (15.9.2015, 21.45 Uhr, Das Erste).
Das Erste sendet am Mittwoch, 23. September 2015, ab 20.15 Uhr einen Themenabend "Rüstungsexporte".
Quelle: SWR - Das Erste (ots)