Gebietsansprüche: Frankreich will größer werden
Archivmeldung vom 17.05.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakFrankreich will bis 2009 um eine Million Quadratkilometer wachsen: um Meeresböden, wo es Rohstoffe vermutet.
Frankreich will über sich im wahrsten Sinne des Wortes hinauswachsen; und zwar nicht nur ein wenig, sondern um ein Gebiet, das dreimal so groß wie Deutschland ist.
Die wertvollen Reste des Reichs
Nun zeigt sich erst, wie wertvoll die eisern verteidigten Reste des einstigen Weltreichs sind. Diese Überseedepartements bzw. -Territorien (vor allem Guadeloupe, Martinique und Saint Martin in der Karibik, Französisch-Guyana in Südamerika, La Réunion und die Kerguelen im Indischen Ozean, Französisch-Polynesien und Neukaledonien im Pazifik) sowie eine Reihe winziger Inseln, die man in Paris oft spöttisch „Konfetti“ nennt (etwa das acht Kilometer große, unbewohnte Inselchen Clipperton vor der Westküste Mexikos), erlauben es nämlich den Franzosen heute, weitab vom europäischen Festland über die übliche 200-Seemeilen-Zone hinaus umfangreiche maritime Gebietsforderungen zu stellen.
Der erste Expansionsantrag bei der Vereinten Nationen beschränkte sich 2006 noch auf Gebiete im europäischen Umfeld: Da ging es um die Vergrößerung der Meeresansprüche, die mit unterseeischen Fortsetzungen des französischen Festlandes im Golf von Biskaya und im Keltischen Meer bis vor Irland sowie im Mittelmeer begründet wurden.
Ein zweiter Antrag betraf 2007 das Meer vor Französisch-Guyana im Norden Südamerikas sowie den Umkreis mehrerer Inseln östlich von Afrika, nämlich von Mayotte, Réunion sowie der „Îles éparses“: fünf Eilande, etwa die „Îles Europa“, vor Madagaskar.
Mit einem dritten Antrag möchte sich Frankreich nun auch das Territorium rund um im Süden des Indischen Ozeans gelegene Inseln wie die Kerguelen und die Crozet-Inseln als „ausschließliche Wirtschaftszone“ (AWZ) sichern.
Stoßrichtung Indischer Ozean
Keine derartigen Forderungen stellt Frankreich bisher aber im Unterschied zu anderen Staaten in der Antarktis. Auch dorthin hätten die Franzosen nämlich theoretisch Zugang. In einem Projekt namens „Extraplac“ sind seit 2002 Meeresgeologen des staatlichen Meeresforschungsinstituts „Ifremer“ damit beschäftigt, wissenschaftliche Argumente für die Ansprüche zu liefern.
„Es ist eine Herausforderung für die Wissenschaft mit ökonomischer Bedeutung“, sagt Xavier de la Gorce, Chef von Ifremer, der dem Premier direkt unterstellt ist.
Die UN-Seerechtskonvention sieht vor, dass Anträge für territoriale Ausdehnung und Rechte auf Ausbeutung des Meeresbodens über die Grenze der regulären 200-Seemeilen-Zone hinaus gestellt werden können, falls unter Wasser eine geologische Verlängerung des Festlands besteht. In diesen Expansionszonen sucht man bereits ein Inventar von Rohstoffdepots wie Erdöl und Erze zu erstellen, sagt Ifremer-Forscher Walter Roest: „Wenn es die Ergebnisse erlauben, kann eine kommerzielle Nutzung erwogen werden.“
Fündig wurde man bereits vor Guyana. Dass die Zukunft der Energieversorgung wahrscheinlich zum Teil auf bzw. unterhalb des Meeresbodens schlummert, denkt sich auch der französische Erdölkonzern „Total“, der die Arbeit der Ifremer-Geologen mit Interesse verfolgt und ungeduldig auf das grüne Licht der UNO wartet.
Streit um Unterwassergrenzen
Neben technischen Schwierigkeiten (die Energiereserven liegen oft in Tiefen von mehr als 3000 Metern) muss Paris aber auch mit diplomatischen Reibereien rechnen: So macht im Fall des Meeres vor Guyana auch der Nachbar Surinam gegenläufige Gebietsansprüche geltend. Also muss die UNO verhindern, dass es wegen der Reichtümer der Meere zum Streit um Unterwassergrenzen kommt.