ROG: Aserbaidschanische Investigativjournalistin Ismajilowa sofort freilassen
Archivmeldung vom 06.12.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittReporter ohne Grenzen (ROG) fordert die sofortige Freilassung der aserbaidschanischen Investigativjournalistin Khadija Ismajilowa. Ein Gericht in Baku hat am (gestrigen) Freitagnachmittag angeordnet, die prominente Reporterin für zwei Monate in Untersuchungshaft zu nehmen. Hintergrund ist die äußerst fragwürdige Anschuldigung eines freien Journalisten, sie habe ihn in einen Selbstmordversuch getrieben.
"Die aserbaidschanischen Behörden versuchen offensichtlich mit allen Mitteln, eine weitere führende Kritikerin ihres autoritären Regimes zum Schweigen zu bringen", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Dieser Fall reiht sich nahtlos in die derzeitige Repressionswelle ein und muss spürbare diplomatische Folgen haben. Wenn Aserbaidschans Justiz noch einen Hauch von Unabhängigkeit hat, muss sie die Vorwürfe gegen Khadija Ismajilowa umgehend fallen lassen."
Ismajilowa ist für ihre Recherchen über Korruption und Vetternwirtschaft in höchsten aserbaidschanischen Regierungskreisen bekannt - und unter den wenigen Journalisten in dem Kaukasusland, die es wagen, solche Tabuthemen aufzugreifen. Sie arbeitet unter anderem als Reporterin für den US-Auslandssender Radio Free Europe/Radio Liberty sowie für das Organized Crime and Corruption Reporting Project (https://reportingproject.net).
Die aktuelle Klage gegen sie soll auf Vorwürfe eines ehemaligen freien Mitarbeiters von Radio Azadliq zurückgehen, dem aserbaidschanischen Programm von Radio Free Europe (http://t1p.de/1hkl). Demnach habe Ismajilowa verhindert, dass der Mann erneut für den Sender arbeiten könne, und ihn damit in einen Selbstmordversuch getrieben. Im Fall einer Verurteilung drohen ihr laut einem Medienbericht drei bis sieben Jahre Haft (http://t1p.de/bs4v). Vor ihrer Verhaftung war sie am Freitag ursprünglich zu einer Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft in Baku vorgeladen.
SEIT JAHREN IM VISIER DER BEHÖRDEN
Tags zuvor hatte der Chef des aserbaidschanischen Prädidialamts die Journalistin in einer Rede beschuldigt, sie verbreite hasserfüllte Ideen über das Land, um ihren ausländischen "Förderern" - eine Anspielung auf westliche Staaten - einen Gefallen zu tun (http://t1p.de/2wg9).
Ismajilowa ist seit Jahren Gerichtsverfahren und massivem Druck der Behörden ausgesetzt. Nachdem sie über geheime Geschäfte der Präsidentenfamilie berichtet hatte, lancierten regierungsnahe Medien 2012 und erneut 2013 Videoaufnahmen im Internet, die angeblich die Journalistin in ihrem Schlafzimmer beim Sex zeigten (http://t1p.de/86y4).
Vergangenen Februar wurde sie unter dem Vorwurf des Verrats nicht näher bezeichnete Staatsgeheimnisse an Vertreter des US-Kongresses mehrmals zu Verhören bei der Staatsanwaltschaft einbestellt (http://t1p.de/0awq). Als eigentlichen Grund für die Vorwürfe vermutete die Journalistin ihre Recherchen zu dubiosen Geschäften der Familie von Präsident Ilcham Alijew.
MASSIVE REPRESSIONSWELLE GEGEN MENSCHENRECHTLER UND JOURNALISTEN
Im Zuge einer seit Juli andauernden massiven Repressionswelle gegen Menschenrechtsaktivisten und kritische Journalisten (http://t1p.de/vxdc) ist auch Ismajilowa in den vergangenen Monaten Ziel erneuter Schikanen geworden. Anfang Oktober verklagte ein ehemaliger Politiker die Reporterin auf Verleumdung, weil sie ihm in einem Artikel vorwarf, im Auftrag des Geheimdienstes an der Unterwanderung von Oppositionsgruppen mitgewirkt zu haben.
Am 12. Oktober verhängte der Generalstaatsanwalt eine Ausreisesperre gegen Ismajilowa. Während einer Reise zum Europaparlament in Straßburg, wo sie über die Menschenrechtslage in Aserbaidschan berichtete, hatte die Journalistin zwei Wochen zuvor mehrere anonyme Drohungen erhalten. Bei ihrer Rückkehr wurde sie am 3. Oktober am Flughafen Baku festgehalten und stundenlang verhört.
Aserbaidschan steht auf Platz 160 von 180 Staaten auf der Rangliste der Pressefreiheit. Derzeit sitzen in dem Land mindestens 13 Journalisten und Blogger wegen ihrer Arbeit in Haft. Weitere Informationen zur Lage der Medienschaffenden dort finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/aserbaidschan/ sowie im jüngsten Länderbericht "Wenn die Wahrheit zur Lüge wird" (http://t1p.de/7m2v), den die Internationale Partnerschaftsgruppe für Aserbaidschan im Oktober veröffentlicht hat.
Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)