Europäische Richterverbände gründen Hilfsfonds für türkische Kollegen
Archivmeldung vom 04.03.2017
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Freigeschaltet durch André OttEuropäische Richterverbände haben einen Hilfsfonds gegründet, der inhaftierte oder aus ihrem Amt entlassene türkische Richter und Staatsanwälte und deren Familien unterstützt. An dem Fonds mit einem Startkapital von rund 50 000 Euro beteiligen sich Richterverbände aus allen Teilen Europas. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn.
"Wir beobachten mit großer Sorge, wie Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan den Rückbau des Rechtsstaats in der Türkei vorantreibt." Deshalb müsse man handeln: "Mit dem Hilfsfonds wollen die europäischen Richterverbände ein Zeichen der Solidarität mit den betroffenen Richtern und Staatsanwälten setzen."
Größere Spenden seien bisher aus der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Portugal, Irland und England geflossen. Der Deutsche Richterbund hat zunächst 10 000 Euro bereitgestellt. Rebehn sagte: "Mehr als 200 Hilfsanfragen aus der Türkei haben die Europäische Richtervereinigung inzwischen erreicht, Tendenz stark steigend."
Der Fonds prüfe in jedem Einzelfall anhand seiner Statuten, ob der Antragsteller gefördert werden könne. "Es handelt sich vielfach um verzweifelte Hilferufe von Familien mit Kindern, die in existenzielle Not geraten sind, weil der Familienvater inhaftiert ist und der Staat das Vermögen der Familie konfisziert hat", sagt Rebehn.
Oft wüssten die Beschuldigten, ihre Familien und Anwälte über Monate nicht, welcher strafrechtlicher Vorwurf erhoben werde. Der Geschäftsführer des Richterbundes kritisierte: "Das hat mit fairen, rechtsstaatlichen Verfahren nichts zu tun." In der Regel zahlt der Fonds einen Zuschuss zum Lebensunterhalt, mit dem die Familien etwa drei bis vier Monate über die Runden kommen.
Tausende Richter und Staatsanwälte hat die türkische Regierung seit dem gescheiterten Staatsstreich vom 15. Juli 2016 entlassen oder inhaftiert, weil sie Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen sein sollen. Rebehn sieht auch die EU-Kommission gefordert: "Der EU-Beitrittskandidat Türkei ist dabei, den Rechtsstaat und eine unabhängige Justiz abzuwickeln. Die Reaktionen darauf aus Brüssel sind zu zaghaft, die EU-Kommission muss den politischen Druck auf Ankara erhöhen."
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)