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Interveiw: Doris von Sayn-Wittgenstein zu EU und Rechtsstaatlichkeit

Archivmeldung vom 02.01.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.01.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Doris von Sayn-Wittgenstein (2019)
Doris von Sayn-Wittgenstein (2019)

Bild: Screenshot Internetseite: "https://www.doris-von-sayn-wittgenstein.de/index.php" / Eigenes Werk

Doris Fürstin v. Sayn-Wittgenstein, MdL Schleswig-Holstein, hielt Mitte des Monats eine interessante Rede zum Thema „EU und Rechtsstaatlichkeit“ vor dem Landtag von Schleswig-Holstein und führte im Anschluss daran mit UNSER MITTELEUROPA ein ausführliches Interview zur aktuellen Lage in Deutschland und (Mittel-)Europa, das wir – passend zum Jahresausklang – nachstehend veröffentlichen.

Weiter schreibt das Magazin:

Transkript der Rede von Doris von Sayn-Wittgenstein (vgl. Video unten):

"Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Gestern wurde mit Polen und Ungarn ein Kompromiss ausgehandelt, der wohl auch das EU-Parlament passieren wird. Es ist an Dreistigkeit nicht zu überbieten, wie mit der Verknüpfung der Auszahlung von Finanzmitteln an vorgebliche „Rechtsstaatlichkeit“ ein politisches Schwert gegen souveräne Mitgliedstaaten geschmiedet werden soll, um sie so zu disziplinieren.

Die schädlichen Folgen dieser Forderung haben nicht auf sich warten lassen. So fordert etwa der österreichische Politiker van Handel bereits öffentlich, dass sich die Visegrád-Staaten mit Österreich, Slowenien und Kroatien zu einem Mitteleuropa der Sieben innerhalb der EU formieren, um zu vermeiden – ich zitiere mit Erlaubnis -, dass Deutschland, Frankreich und ihre Mitläufer gnadenlos die kleinen christlichen Länder überrollen und ihre Identität zerstören. Zitat Ende.

Wollen wir eine derartige Spaltung in Europa? Der richtige Weg hinsichtlich der behaupteten Rechtsverletzungen ist doch das Verfahren nach Artikel 7 zum Schutz der Grundwerte nach dem EU-Vertrag und nichts anderes. Die Verbindung von Förderleistungen und angeblicher „Rechtsstaatlichkeit“ hat in meinen Augen etwas von Erpressung souveräner Nationalstaaten und ihrer Völker an sich. Dies lehne ich als Deutsche besonders im Hinblick auf unsere eigene Geschichte ab. Vielen Dank!"


Im folgenden das Exklusiv-Interview von Doris Fürstin v. Sayn-Wittgenstein mit UNSER MITTELEUROPA: 

Frage: Sehen sie das von Baron van Handel entwickelte M7-Modell als zukunftsweisend an? Könnte eine „Donaukonföderation“ souveräner Staaten nicht generell ein Modell für eine künftige EU sein?

Doris Fürstin v. Sayn-Wittgenstein: Die Europäische Union sollte ja ursprünglich ein Staatenbund souveräner Vaterländer sein. So wurde sie uns jedenfalls schmackhaft gemacht. Wir erleben mittlerweile jedoch eine Regulierungswut aus Brüssel, die das Leben der europäischen Völker zunehmend in nicht mehr verständlicher und annehmbarer Weise beeinflußt. Das Individuelle, die Vielseitigkeit und die Kultur der europäischen Völker, was in meinen Augen so charakteristisch und wertvoll für Europa ist, bleibt hierbei auf der Strecke. Vielmehr scheinen wirtschaftliche Interessen das Leben der Völker zu diktieren. Man sollte ebenfalls nicht vergessen: In der angeblich so demokratischen EU zählt noch nicht einmal jede Bürgerstimme gleich; Deutschland ist z.B. von der Anzahl der Sitze im Parlament unterrepräsentiert.

Viele Deutsche wünschen sich aus den oben genannten Gründen mittlerweile einen Dexit.

Gerade in Zusammenhang mit der kürzlich aufgekommenen Rechtsstaatlichkeitsfrage wäre auf deutscher Seite Zurückhaltung geboten gewesen. Ich nenne hier beispielhaft: Weisungsgebundene Strafverfolgungsbehörden, ehemalige Politiker im Bundesverfassungsgericht (Gewaltenteilung?), Besetzung des Bundesverfassungsgerichts nach Parteienproporz, Parteienfinanzierung, Agitation des Verfassungsschutzes in einer freiheitlichen Demokratie.

Kürzlich meldete die „WAZ“, daß die Kabinettsmitglieder in Nordrhein-Westfalen aufgrund eines Beschlusses der Verfassungskommission (!) zukünftig nicht mehr auf das „Wohl des deutschen Volkes“, sondern das „Wohl des Landes Nordrhein-Westfalen“ vereidigt werden. Hier wird eine deutliche Entkoppelung vom Souverän erkennbar, ohne daß sich hiergegen Widerstand regte.

Die von Baron van Handel genannten Staaten (M7) haben ähnliche geo-strategische Interessen (u.a. auch geographische Nähe zu Rußland), zudem geschichtliche und kulturelle Überschneidungen. Die „Verbrüsselung“ wie z.B. die politische Bevormundung dieser Länder in Zusammenhang mit der sog. „Flüchtlingskrise“ und die jüngsten Vorkommnisse im Rahmen einer Diskussion über Rechtsstaatlichkeit führen zu einer EU-kritischen Haltung, die verständlich erscheint. Das schweißt diese Länder zusätzlich zusammen.

Ihre Solidarisierung untereinander ist als Reaktion deswegen vollkommen verständlich; hier deuten sich Konflikte an, die möglicherweise weitere Unstimmigkeiten innerhalb der EU befördern.

Ist die „Mitteleuropa“-Perspektive von Friedrich Naumann heute noch zeitgemäß? Und ist vielleicht Angela Merkel in gewisser Weise Nachlassverwalterin dieser Perspektive? (So wird es jedenfalls von manchen Beobachtern in Ostmitteleuropa empfunden.)

Doris Fürstin v. Sayn-Wittgenstein: Ausgangspunkt für die EU, wie wir sie heute kennen, war ja die EWG. Allerdings hatten sich hier Staaten zusammengeschlossen, deren wirtschaftliche Ansätze ähnlich waren. Wenn man, wie es den Anschein hat, die EU hauptsächlich als Wirtschaftsprojekt betrachtet, sollte man das auch ehrlich sagen; dann müßten aber auch strengere und innerhalb des Wirtschaftsraumes gleiche fiskalische Maßstäbe zugrunde gelegt werden. Ob Frau Merkel eine Form von Wirtschaftsimperialismus verfolgt, kann ich nicht sagen; ich kann Frau Merkels Entscheidungen ohnehin nicht nachvollziehen.

Es kann jedenfalls nicht verwundern, daß von den ostmitteleuropäischen Staaten Angela Merkels Politik gegenüber den Visegrád-Staaten gewissermaßen als Blaupause des Mitteleuropa-Konzepts von Friedrich Naumann angesehen wird. Denn dieses sah einen in erster Linie wirtschaftspolitisch integrierten Staatenbund vor. Was wir heute sehen, ist, daß in diesen Ländern zahlreiche westliche, insbesondere bundesdeutsche Konzerne dort investieren, indem sie ihre Betriebe dorthin verlagern, um billiger produzieren zu können, und Unternehmen aufkaufen, um damit lästige Konkurrenz ausschalten. Die Lage ist tatsächlich so, daß der Wirtschaftsriese Deutschland in dieser Region vielfach als Hegemon wahrgenommen wird. Schauen Sie doch nur auf die großen deutschen Lebensmittelketten, die in fast allen Staaten der ehemaligen k.u.k. Monarchie präsent sind!

Welche politischen Kräfte in Deutschland sehen sie als konstruktiv für ein „Europa der Vaterländer“ an, wie UNSER MITTELEUROPA es gemeinsam mit patriotischen Menschen in ganz Europa propagiert?

Doris Fürstin v. Sayn-Wittgenstein: Es gibt starke politische Kräfte in der Alternative für Deutschland, die sich ein Europa souveräner Staaten wünschen; allerdings wird das Bild der Partei nach außen hin von einem wirtschaftsliberalen Flügel dominiert.

Auch in der sog. „Querdenkenbewegung“ sehe ich vielversprechende Ansätze. Die „Corona-Krise“ mit den damit einhergehenden desaströsen wirtschaftlichen Entscheidungen („Lockdown“), die Beschneidung der Freiheitsrechte und der im Raum stehende Impfzwang haben zu einer Mobilisierung der Menschen beigetragen. Das Gute: Diese Situation hat bei vielen zu einem Erwachen geführt, sie eint die Menschen, gleichgültig wie sie bisher politisch eingestellt waren. Es gibt zudem bei den „Querdenkern“ eine gute Gesprächskultur und einen fairen Umgang miteinander. Das läßt hoffen.

Wie stehen Sie heute zur AfD, speziell zu deren „Flügel“-Kämpfen und Ausgrenzungsritualen? Wäre eine Initiative wie die von FPÖ-Generalsektretär Schnedlitz nicht viel vorteilhafter?

Doris Fürstin v. Sayn-Wittgenstein: In der Alternative für Deutschland finden ja nicht nur Ausgrenzungsrituale statt: Tatsächlich werden gerade die Leistungsträger der Partei oft von jenen ausgegrenzt, die bisher wirtschaftlich nicht erfolgreich waren und innerhalb der Partei als sog. „Beutegemeinschaft“ bezeichnet werden. Diese Parteimitglieder grenzen nicht nur aus, sie verleumden andere Mitglieder öffentlich und schaden so der ganzen Sache, weil es ihnen allein um ihr wirtschaftliches Fortkommen geht.

Ich bin gegen „Distanzeritis“: Es ist ja kein Geheimnis, daß sich die Regierungsparteien den Staat unter den Nagel gerissen haben und ihn dazu mißbrauchen, um den politischen Gegner zu zerstören. „Distanzeritis“ ist ein strategischer Fehler in der politischen Auseinandersetzung. Dadurch werden oft Mitstreiter beschädigt, die an jenen alten Werten festhalten, die bisher das Überleben der europäischen Völker gesichert haben. Damit ist ganz klar, daß die Ausgrenzer das Geschäft des Gegners betreiben. Ob sie das mit Absicht tun, ist hierbei vollkommen gleichgültig, weil es allen auf die politische Wirkung ankommt.

Die Initiative von FPÖ-Generalsekretär Schnedlitz war ja wohl sein persönlicher Vorstoß. Er wandte sich gegen Abgrenzungen im eigenen Dritten Lager. Inwieweit diese Linie von der gesamten FPÖ mitgetragen wird, entzieht sich meiner Kenntnis.

Anfang Januar 2021 wird der Verfassungsschutz vermutlich die Beobachtung der Alternative für Deutschland bekanntgeben. Ich bin gespannt, wie sich dann z.B. die Staatsbediensteten innerhalb der Alternative für Deutschland zu ihrer Partei stellen. Es bleibt auf alle Fälle spannend."

Quelle: Unser Mitteleuropa

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