Reaktor in Tschernobyl ist Gefahr für die Umwelt
Archivmeldung vom 12.04.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.04.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Zustand des havarierten Reaktors 4 des Atomkraftwerkes Tschernobyl in der Ukraine ist zwanzig Jahre nach dem Unfall katastrophal. Das geht aus einem Bericht hervor, den Greenpeace heute vorlegt. Die Schutzhülle aus Stahl und Beton, mit der die Reaktorruine von der Umwelt abgeschottet werden soll, ist vom Einsturz bedroht.
Von acht Projekten, mit denen der so genannte
Sarkophag stabilisiert werden sollte, sind nur drei umgesetzt worden.
Ursprünglich sollten die Maßnahmen bis 2006 abgeschlossen sein. Bis
heute gibt es kein Gesamtkonzept zur langfristigen Absicherung der
Ruine.
"In den letzten 20 Jahren ist viel zu wenig geschehen, um die
Region vor dem explodierten Reaktor zu sichern", sagt Thomas Breuer,
Atom-Experte von Greenpeace. "Auch die Atomindustrie und der Einsatz
von Milliarden Steuergeldern aus den Staatskassen der Industrieländer
brachten keine Lösung für Tschernobyl."
Die Schutzhülle wurde im ersten halben Jahr nach der
Reaktorkatastrophe hastig und unter schwierigsten Bedingungen
errichtet. Die Konstruktion ist instabil. In der Außenwand klaffen
Löcher, durch die der Wind radioaktiven Staub herausbläst und
Regenwasser eindringt. Würde der Reaktor einstürzen, würde eine
radioaktive Staubwolke die Menschen in der Region erneut bedrohen und
zusätzlichen Strahlenbelastungen aussetzen.
Dieser Gefahr will das Konsortium aus 28 Geberländern und der
ukrainischen Regierung mit zwei Maßnahmen begegnen. Der Sarkophag
soll wie bislang geplant stabilisiert und ausgebessert werden. Zudem
soll eine neue große Schutzhülle über den Reaktor geschoben werden.
Dieses Projekt weist zwei schwere Mängel auf: Es bietet keine Lösung
für das Hauptproblem, die hochgradig radioaktive Masse, zu der die
Brennstäbe mit dem Baumaterial des Reaktors vor 20 Jahren
verschmolzen. Was mit dieser Masse passieren soll, wie sie geborgen
oder behandelt werden soll - dazu findet sich nichts in dem Plan.
Außerdem ist auch die zweite Schutzhülle nur eine Übergangslösung:
Sie soll 50 bis 100 Jahre halten.
"Damit überlassen wir die Probleme von Tschernobyl den
nachfolgenden Generationen, weil niemand in der Lage ist, die Folgen
der Katastrophe auch nur annähernd zu lösen", erklärt Breuer. "Die
Baustelle Tschernobyl zeigt: Wir Menschen beherrschen nicht einmal
die Aufräumarbeiten eines Atomunfalls. Geschweige denn die Atomkraft
selber."
Greenpeace fordert, alle Atomkraftwerke so schnell wie technisch
möglich abzuschalten und die Internationale Atomenergieorganisation
(IAEO) umzuwandeln: Sie soll nicht länger die zivile Nutzung der
Atomkraft fördern, sondern den weltweiten Ausstieg aus der Atomkraft
beaufsichtigen.
Die Studie "Keine Lösung in Sicht; Die Lage am Standort Tschernobyl" (39 S.) finden Sie unter www.greenpeace.de/tschernobyl.
Quelle: Pressemitteilung Greenpeace e.V.