Ökonomen: Frankreich derzeit größtes Risiko für Eurozone
Archivmeldung vom 03.12.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtFührende Ökonomen in Deutschland sehen in Frankreich derzeit das größte Risiko für die Stabilität der Eurozone. Hintergrund ist die Herabstufung der Euro-Hilfsfonds ESM und EFSF durch die Rating-Agentur Moodys infolge der Abstufung Frankreichs.
Der Chefvolkswirt der DZ Bank, Stefan Bielmeier, weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Fall der Fälle die kleineren Länder inklusive Spanien noch durch den ESM und das neue Anleihekaufprogramm (OMT) der Europäischen Zentralbank (EZB) unterstützt werden könnten. "Somit scheint zurzeit die größte Gefahr für den Euroraum von Frankreich und eventuell Italien zu kommen", sagte Bielmeier "Handelsblatt-Online". "In Italien liegt das Risiko aber hauptsächlich in der politischen Unsicherheit, während in Frankreich strukturelle Schwächen die Ursache sind." Jedoch werde Frankreich nach Bielmeiers Einschätzung das Reformtempo "deutlich erhöhen, sobald der Finanzmarkt den Druck auf Frankreich erhöht".
Die strukturelle Entwicklung von Frankreich sei seit einiger Zeit in den Fokus der Rating-Agenturen gerückt, sagte Bielmeier weiter. "Insbesondere der hohe Staatsanteil und die geringe Bereitschaft der französischen Regierung die notwendigen Reformen am Arbeitsmarkt anzugehen, sind hier als Beispiele hervorzuheben." Besorgt über die Wirtschaftsschwäche Frankreichs äußerte sich auch der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer. Frankreich sei "faktisch zum Anwalt der hochverschuldeten Peripherieländer" geworden. "Damit hat Frankreich Deutschland in seinem Bemühen isoliert, einen durch Wettbewerb und Geldwertstabilität geprägten Euroraum zu erhalten", so Krämer. "Frankreichs wirtschaftlicher Abstieg zerstört die politische Symmetrie im Euroraum."
Das Grundproblem der französischen Volkswirtschaft sieht Krämer in einem überdimensionierten Staat, "der vor allem kleine Unternehmen gängelt und wie in kaum einem anderen westlichen Land ein gesellschaftliches Klima kultiviert, das die Marktwirtschaft als angeblich ungerecht ablehnt". Vor allem deshalb stiegen in Frankreich die Lohnkosten zu stark, so dass das Land seit Beginn der Währungsunion ein Drittel seiner Weltmarktanteile verloren habe.
Zudem habe sich die Leistungsbilanz ähnlich verschlechtert wie die von Italien. "Ich habe schon vor einem dreiviertel Jahr geschrieben, dass Frankreich gen Süden driftet", sagte Krämer. Dessen ungeachtet rechnen Bielmeier und Krämer nicht damit, dass aufgrund der ESM-Abstufung die Euro-Rettung insbesondere für Deutschland teurer wird.
"In Frankreich sollte sich in den nächsten Monaten vielmehr das Reformtempo beschleunigen, nicht zuletzt auch wegen des steigenden externen Drucks", sagte DZ-Bank-Chefökonom Bielmeier. "Frankreich dürfte also nicht als Kreditgeber ausfallen."
Krämer erklärte, eigentlich müsse der Rettungsfonds wegen seiner gesunkenen Bonität deutlich höhere Zinsen zahlen. "Aber die Marktkräfte dominieren nicht mehr den Zins, wenn die EZB ihr Geld fast kostenlos verleiht und den Kauf von Staatsanleihen ankündigt", sagte er. "All das zwingt faktisch viele vom Staat regulierte Anleger wie Versicherungen und Pensionsfonds, Anleihen mit eigentlich viel zu niedrigen Zinsen zu kaufen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur