Verfassungsschutz warnt Urlauber vor Anschlägen in Türkei
Archivmeldung vom 28.02.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVerfassungsschützer warnen Touristen vor einer erhöhten Anschlagsgefahr in der Türkei. Johannes Schmalzl, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz in Baden-Württemberg, sagte dem Tagesspiegel, die Gefahr für deutsche Urlauber in der Türkei, Opfer von Anschlägen kurdischer Separatisten zu werden, sei in diesem Jahr hoch.
Es müsse befürchtet werden, dass militante
Kurden der PKK die anstehenden Wahlen nutzen, um mit Attentaten mehr
Aufmerksamkeit für ihren Kampf zu erreichen. Die Verfassungsschützer
in Baden-Württemberg gelten als besonders kompetent bei der
Beobachtung und Bewertung von Ausländerextremismus. Im Mai bestimmt
die türkische Nationalversammlung einen neuen Staatspräsidenten, im
November steht das Parlament selbst zur Wahl.
Im vergangenen Jahr reisten 3,78 Millionen Deutsche in das Land am
Bosporus, das zu den drei beliebtesten Auslandsreisezielen der
Deutschen gehört, die damit unter den Türkei-Besuchern das größte
Kontingent stellen. Das Auswärtige Amt weist in seinen Reise- und
Sicherheitshinweisen darauf hin, dass es im Osten und Südosten der
Türkei "weiterhin zu bewaffneten Auseinandersetzungen" zwischen der
terroristischen PKK und türkischen Sicherheitskräften kommt.
Angesichts der Anschläge der jüngsten Vergangenheit rät das
Auswärtige Amt Reisenden in der Türkei "zu erhöhter Vorsicht".
Im Sommer 2006 hatten mehrere Anschläge Badeorte an der
Mittelmeerküste und Istanbul getroffen. Drei Menschen starben.
Dutzende wurden verletzt, auch Deutsche. Zu den Anschlägen hatten
sich die "Freiheitsfalken Kurdistans" bekannt. Sicherheitsexperten
ordnen sie "zumindest ideologisch" dem Umfeld der kurdischen
Arbeiterpartei PKK zu.
Sorgen bereitet die PKK den Sicherheitsbehörden auch durch
Aktivitäten in Deutschland. "Es gab im Februar auffällig viele
gewaltsame Aktionen",
sagte Schmalzl. Vorläufiger Höhepunkt waren Brandanschläge am 18. und
19. Februar auf vier Pkw in Berlin. Auch wenn die Täter nicht gefasst
sind, glauben Berliner Sicherheitsexperten, die Täter seien junge
Kurden aus dem Umfeld der PKK.
Dass der Ende 1999 von der PKK beschlossene, generelle
"Friedenskurs" jetzt für Deutschland beendet ist, glauben Schmalzl
und weitere Sicherheitsexperten allerdings nicht. "Aber sie lassen
jungen Heißspornen eine lange Leine", sagt Schmalzl. Im Februar war
sie offenbar noch länger als sonst. In Freiburg blockierten junge
Kurden eine Autobahnauffahrt und entzündeten Benzin, in Dortmund
warfen mutmaßliche PKK-Sympathisanten Brandsätze gegen die Filiale
einer türkischen Bank und ein türkisches Reisebüro. In Hamburg
brannte ein Fahrzeug, in Hagen wurde ein Brandsatz in Richtung eines
türkischen Reisebüros geschleudert, richtete aber keinen Schaden an.
Dann folgten die Anschläge in Berlin. Zeugen berichteten, Jugendliche
hätten am 18. Februar PKK-Parolen gerufen und den Namen des in der
Türkei inhaftierten Chefs der Organisation, Abdullah Öcalan. Außerdem
veranstalteten Kurden im Februar in Heilbronn einen zweitägigen
Hungerstreik, um gegen "Repression" zu protestieren. Die PKK mit
aktuell 11 000 Mitgliedern unterliegt in Deutschland seit 1993 einem
Betätigungsverbot.
Schmalzl sieht die Gewaltserie auch als Zeichen der internen Unsicherheit der PKK, die junge Mitglieder durch spektakuläre Aktionen kompensieren wollten. Der in Deutschland noch geltende "Friedenskurs" lasse PKK-Anhänger am Sinn von Spenden für den bewaffneten Kampf zweifeln - auch wenn in der Türkei längst wieder gebombt wird. Dass sich die Szenen der 90er Jahre wiederholen, als PKK'ler sich auf Straßen selbst anzündeten, sieht Schmalzl jedoch "derzeit nicht", sagt aber: "Wir müssen auf alles gefasst sein."
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel