Iran: Verstärkte Zensur nach dem Tod von Ayatollah Montazeri
Archivmeldung vom 22.12.2009
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittReporter ohne Grenzen (ROG) ist bestürzt über neue Zensurmaßnahmen im Iran im Zusammenhang mit dem Tod Ayatollah Montazeris. Der Regimekritiker war am 19. Dezember im Alter von 87 Jahren in der heiligen Stadt Qom im Norden des Landes gestorben. Trotz eines Demonstrationsverbots versammelten sich Zehntausende, um einer der führenden iranischen Reformpersönlichkeiten zu gedenken.
Bei den Trauermärschen wurden auch Journalisten festgenommen. Wie bei allen Ereignissen in jüngster Zeit, die Potential für Demonstrationen boten, gingen die iranischen Behörden mit drakonischen Maßnahmen gegen Medien vor.
"Während die Bevölkerung trauert, zensieren die Behörden wieder einmal nationale und internationale Medien", kritisiert ROG. Das Kulturministerium hat am Sonntag die Anordnung an Zeitungsredakteure herausgegeben, keine Artikel über Montazeri zu veröffentlichen. Mitarbeiter des Ministeriums haben die Einhaltung der Anordnung persönlich in den Redaktionen überwacht. Am Montag hat die offizielle Nachrichtenagentur "Fars News" zudem bekannt gegeben, dass die reformistische Zeitung "Andisheh-ye No" (Neues Denken) geschlossen wurde.
Ein TV-Beitrag der BBC über Montazeri wurde am Sonntag kurz nach Sendungsbeginn blockiert. Er beinhaltete ein exklusives Interview, dass der regierungskritische Geistliche der BBC kurz vor seinem Tod gegeben hatte. Es war das erste Mal seit mehr als 20 Jahren, dass der Ayatollah im Fernsehen zu sehen war. Die abrupte Unterbrechung betraf alle Programme, die vom Satelliten "Hotbird 6" übertragen wurden. Über die Website "BBC Persian" konnte die Sendung jedoch angesehen werden.
Kurz nach Bekanntwerden des Todes von Ayatollah Montazeri verlangsamten sich zudem vielerorts die Internetverbindungen. Telefonleitungen wurden unterbrochen, speziell in Isfahan und Nadschafabad, der Geburtsstadt des Ayatollahs.
Montazeris Website selbst war bereits seit Jahren gesperrt. Modschtaba Lotfi, einer der Redakteure der Seite, war im November 2008 zu vier Jahren Gefängnis und zu anschließenden fünf Jahren Berufsverbot verurteilt worden. Er wurde beschuldigt, Propaganda gegen die Regierung betrieben und die Ansichten Ayatollah Montazeris verbreitet zu haben. Mit dessen Tod hat die Reformbewegung im Iran eine wichtige Führungspersönlichkeit verloren.
Quelle: Reporter ohne Grenzen