Mazedonien: Reporter ohne Grenzen verurteilt massenhaftes Abhören von Journalisten
Archivmeldung vom 27.02.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittReporter ohne Grenzen (ROG) und die mazedonische Bürgerrechtsorganisation Civil - Center for Freedom verurteilen das massenhafte illegale Abhören von Journalisten in Mazedonien und verlangen umgehende Schritte zur Wiederherstellung von Justiz und Rechtsstaatlichkeit in dem Balkanstaat. Nach Angaben von Oppositionsführer Zoran Zaev hat die Regierung ohne Rechtsgrundlage rund 100 Journalisten abgehört, um ihre Kontrolle über die Medien auszuweiten.
"Dieser großangelegte Lauschangriff auf Journalisten stellt einen massiven Angriff auf die Medienfreiheit dar und läuft allen rechtsstaatlichen Beteuerungen zuwider", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Wenn Mazedoniens Bestrebungen als EU-Beitrittskandidat irgendetwas wert sind, müssen die Verantwortlichen für diesen Angriff auf die Grundrechte von Journalisten und allen Bürgern in Mazedonien unverzüglich benannt und zur Rechenschaft gezogen werden."
In einer Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch veröffentlichte Oppositionsführer Zaev Auszüge aus sechs Gesprächsmitschnitten, um zu belegen, wie weit der Einfluss der Regierung auf die Medien reiche. Nach seiner Darstellung waren unter den Abgehörten sowohl die Chefredakteure regierungstreuer Medien als auch kritische Journalisten wie der 2013 ums Leben gekommene Chefredakteur des Magazins Fokus, Nikola Mladenov (http://t1p.de/8lv4).
INSGESAMT ANGEBLICH 20.000 MAZEDONIER ABGEHÖRT
Solche Abhörpraktiken verstoßen gegen Mazedoniens Verfassung und Gesetze wie auch gegen internationale Menschenrechtsstandards und Verpflichtungen des Landes. Sie verletzen nicht nur die Menschenrechte von Journalisten, sondern stellen auch grundlegende Prinzipien wie die Unabhängigkeit der Medien, den Schutz journalistischer Quellen und die Grundrechte der Mazedonier insgesamt in Frage.
Zaevs jüngste Anschuldigungen sind die vierte in einer Reihe von Enthüllungen im Rahmen eines massiven Abhörskandals seit Anfang Februar. Insgesamt sollen in dem Land mit rund zwei Millionen Einwohnern mehr als 20.000 Menschen abgehört worden sein. Der Oppositionsführer, dem derzeit ein Strafverfahren wegen mutmaßlicher Planung eines Staatsstreichs droht, beschuldigt Ministerpräsident Nikola Gruevski und dessen Cousin, Geheimdienstchef Saso Mijalkov, den Lauschangriff angeordnet zu haben.
Der Ministerpräsident hat Zaev als Werkzeug eines ausländischen Geheimdienstes bezeichnet, der seinerseits hinter der Abhöraktion stecke. Namen nannte er nicht, erklärte aber, die mazedonischen Dienste wüssten die Antwort auf diese Frage (http://t1p.de/jrva). Die Echtheit der Aufnahmen stellte Gruevski indes nicht in Abrede.
PRESSEFREIHEIT NIMMT SEIT JAHREN AB
Die Lage Pressefreiheit in Mazedonien hat sich in Mazedonien in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. In der jährlichen Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist das Land seit 2009 vom 34. auf den derzeit 117. Platz abgerutscht. Im Oktober kritisierte die Europäische Union in ihrem jüngsten Fortschrittsbericht für den Beitrittskandidaten Mazedonien die Lage der Medien dort (http://t1p.de/hi5l). Unter anderem kritisierte sie einen Missbrauch der Verleumdungsgesetze und bemängelte, dass staatliche Institutionen unabhängige Medien beim Schalten von Werbeanzeigen benachteiligten.
Darüber hinaus haben ROG und Civil den Prozess gegen den mazedonischen Journalisten Tomislav Kezarovski vehement kritisiert, den ein Berufungsgericht in Skopje Mitte Januar zu zwei Jahren Gefängnis verurteilte (http://t1p.de/2zma). Er wurde beschuldigt, in einem Artikel von 2008 die Identität eines geschützten Zeugen in einem Strafprozess aufgedeckt zu haben. Kezavoski hatte bis zu dem Berufungsurteil schon mehrere Monate in Haft und mehr als ein Jahr unter Hausarrest verbracht. Die verbleibende viereinhalb Monate Haft wurden inzwischen aus Gesundheitsgründen ausgesetzt.
Weitere Informationen zur Lage der Pressefreiheit finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/mazedonien/.
Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)