AfD-Chef Meuthen: „Ministerin in Brüssel entsorgt“
Archivmeldung vom 03.07.2019
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Nominierung der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen für das Amt der neuen EU-Kommissionspräsidentin sorgt für eine Welle der Empörung. Auch für den AfD-Chef und stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID), Jörg Meuthen, im Sputnik-Interview. Warum hält er von der Leyen für eine schlechte Wahl?
Herr Prof. Dr. Meuthen, unsere Verteidigungsministerin wurde vom EU-Rat für den Posten der Kommissionspräsidentin nominiert. Wie bewerten Sie diese Wendung?
Ich halte das für eine ganz schlechte Wahl. Das wird Sie nicht verwundern. Eine Ministerin, die zunächst als Arbeits- und Sozialministerin wirklich einen ganz schlechten Job gemacht hat und danach als Verteidigungsministerin die Bundeswehr in den Zustand gebracht hat, in dem sie sich heute befindet - der könnte beklagenswerter nicht sein. Diese Ministerin nun quasi nach Brüssel zu entsorgen, ist ein ziemlich starkes Stück. Frau Von der Leyen hat sich durch ihre Ämterwahrnehmung in den beiden letzten Ministerien, die sie innehatte, wahrlich nicht für höhere Aufgaben empfohlen. Früher sagte man: „Hast du einen Opa, dann schick ihn nach Europa“. Heute schickt man eine Oma nach Europa. Das macht es auch nicht besser.
Was hätten Sie sich als stellvertretender Vorsitzender der Fraktion „Identität und Demokratie“ (ID) gewünscht?
Ich muss Ihnen ehrlich sagen, das Personaltableau, das da angeboten wird, das hat uns samt und sonders nicht überzeugt. Da war kein Kandidat dabei, bei dem wir sagen könnten: Der gefällt uns. Wir müssen das als gute Demokraten akzeptieren. Wir sind in einer Minderheit. Leute, die wir gut finden, haben soweit keine Chance, in eine solche Spitzenposition des Kommissionspräsidenten hineingewählt zu werden.
Aber geeigneter als Weber ist Von der Leyen schon, oder?
Das nimmt sich nicht viel. Wir hatten bei Weber extrem starke Bedenken. Einerseits sind wir froh, dass es Weber nicht geworden ist. Andererseits ist Von der Leyen auch keine bessere Wahl.
Wie viel hat dieser ganze Vorgang noch mit Demokratie zu tun?
Das ist ja das, was die Menschen in großer Anzahl zornig macht. Da erzählt man den Menschen, was mit Europa alles entschieden wird und man würde über ganz entscheidende Positionen als Bürger abstimmen können. Und dann gibt es ein großes Rats-Gekungel über mehrere Tage. Und dann wird es dort quasi im Hinterzimmer entschieden. Das ist kein demokratisches Vorgehen und die Menschen merken das. Und der Verdruss über Brüssel und alles, wofür Brüssel steht, ist in der Bevölkerung nachvollziehbarerweise sehr, sehr hoch. Kaum, dass die Wahlen vorbei sind, gilt alles nichts mehr.
Die Wahlbeteiligung war ja relativ hoch. Die Kandidaten, die sie hatten für die Kommissionspräsidentschaft – Timmermanns und Weber – alles andere als eine gute Wahl. Herr Timmermanns eigentlich noch schlimmer als Weber, weil er inhaltlich ganz Linksaußen steht. Im Kern ein in Wolle getarnter Sozialist ist, der die totale Gleichmacherei betrieben hätte. Weber ist aus einer Vielzahl von Gründen ungeeignet. Insofern sind wir nicht mal undankbar, dass diese Personalvorschläge vom Tisch sind. Es wäre aber natürlich schön, wenn es eine veritable Persönlichkeit wäre, die durch Erfolg in ihrer bisherigen politischen Laufbahn überzeugt hätte. Das ist bei von der Leyen mit Verlaub nicht der Fall.
Wird diese Aktion der Wahlbeteiligung in fünf Jahren schaden?
Ich weiß nicht, ob sich die Menschen in fünf Jahren noch dessen erinnern. Das Gedächtnis der Wähler ist oft kurz. Wenn jetzt neu gewählt würde, wäre die Wahlbeteiligung mit Gewissheit deutlich geringer, weil die Leute sich sagen würden, wozu überhaupt.
Mitte Juli soll das Parlament über das Amt des Kommissionschefs entscheiden. Glauben Sie, das Parlament wird Von der Leyen hier abnicken? Den Sozialdemokraten muss ja jetzt etwas Gutes im Gegenzug angeboten werden. Richtig? Was könnte das sein?
Das ist eine spannende Frage. Also ich glaube keineswegs, dass Frau Von der Leyen durch ist. Das Parlament muss noch zustimmen. Und wenn ich mir anschaue wie verärgert die Sozialdemokraten sind. Die Fraktion rechts der EVP, also EKR und ID, werden mit Gewissheit dem Vorschlag nicht zustimmen. Ich glaube auch, dass sie von der Linken keine Zustimmung bekommt. Und dann schmilzt die Mehrheit, wie Schnee in der Sonne. Ob da der nächste Kuhhandel gemacht wird und wie der aussieht, darüber müssen diejenigen befinden, die den machen. Das sind nicht wir.
Nun wurde ein Sozialdemokrat, der Italiener David-Maria Sassoli, der neue EU-Parlamentspräsident. Wie bewerten Sie den Ausgang dieser Wahl?
Als die vier Personen schlussendlich antraten, war ich gestern Abend doch einigermaßen schockiert, weil drei von denen doch sehr weit außen links stehen. Auch Herr Sassoli ist letztendlich auch ein in der Wolle gefärbter Linker. Ihm ist es erkennbar schwer gefallen, in der Rede nach seiner Wahl einen einigenden Tonfall anzuschlagen. Es ging ganz viel um Gleichheit, Solidarität, die üblichen Kampfbegriffe der Linken. Da war wenig Neutralität zu spüren. Das hat meine Bedenken bekräftigt. Herr Jan Zahradil (EKR) wäre ein veritabler Präsident gewesen. Ich habe ihn auch in beiden Wahlgängen gewählt. Er hat sehr respektables Ergebnis eingefahren, wie ich finde.
Nun, er ist ein im Kern konservativer Mensch, der für eine sinnvolle Beschränkung der EU steht. Wir brauchen eine kluge Balance zwischen dem Nationalstaatlichen und EU-Aufgaben. Davon spricht er. Bei den anderen hört man ja immer nur: Mehr EU, mehr EU, mehr EU! Er war der einzige, der da einen anderen Zungenschlag reingebracht hat. Mit Zahradil, auch wenn er von der anderen Fraktion ist, die uns doch relativ nahesteht, hätten wir leben können. In seiner Rede hatte er sich strikt der Neutralität verschrieben. Das gefiel mir sehr.
Dass ein Sozialdemokrat in das Amt des Parlamentspräsidenten hineingewählt wurde, wird die Sozialdemokraten nicht besser stimmen in Bezug auf die möglicherweise neue Kommissionspräsidentin?
Glaube ich nicht. Also, die sind schon richtig sauer. Wenn man das hört, was von führenden Sozialdemokraten in Deutschland hören, dann merkt man, wie groß die Verärgerung ist. Ob sie aus Gründen des politischen Kompromisses noch abbiegen - who knows? Das werden wir in den nächsten zwei Wochen sehen. Ich bin gespannt.
Das komplette Interview mit Jörg Meuthen (AfD) zum Nachhören:
Quelle: Sputnik (Deutschland)