Ungarn beschließt umstrittene Verfassungsänderung
Archivmeldung vom 11.03.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDas ungarische Parlament hat am Montag die umstrittene Verfassungsänderung beschlossen. Insgesamt votierten 265 Abgeordnete für die Reform, elf lehnten sie ab und 33 enthielten sich. Die sozialistische Opposition blieb der Abstimmung fern. Damit sind nun unter anderem Einschränkungen in der Bildungs- und Familienpolitik sowie härtere Maßnahmen gegenüber Obdachlosen verfassungsmäßig verankert. Zudem wurden die Handlungsbefugnisse des Verfassungsgerichtes, welches diese Regelungen zuvor aufgehoben hatte, stark eingeschränkt.
Die Einigung der konservativen Regierungsmehrheit, der Kritiker eine demokratieschädigende Wirkung zuweisen, löste bereits im Vorfeld der Abstimmung Proteste in Ungarn aus. Auch die Europäische Kommission hatte im Vorfeld der Abstimmung noch einmal den Druck auf die ungarische Regierung verstärkt. Das Exekutivorgan übte unter anderem scharfe Kritik an einer neuen Bestimmung, die die Präsidentin des Nationalen Justizamtes, dazu legitimiert, bestimmte Fälle bestimmten Gerichten zuzuweisen.
Der Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff hat die EU-Kommission dazu aufgerufen, gegen Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban einzuschreiten. "Die EU-Kommission sollte in eine Prüfung eintreten, ob eine systematische Verletzung der europäischen Werte vorliegt", sagte der FDP-Politiker dem "Tagesspiegel" (Dienstagausgabe).
Verfassungsänderung in Ungarn: Grüne fordern klare Worte von Merkel
Die Grünen fordern wegen der umstrittenen Verfassungsänderung in Ungarn klare Worte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die am Dienstag den Präsidenten Ungarns, János Áder, in Berlin empfangen wird. Die am heutigen Montag zur Abstimmung stehende Änderung der ungarischen Verfassung stelle eine "ernsthafte Gefahr für das Funktionieren der Gewaltenteilung in Ungarn dar", sagte der Grünen-Sprecher für Europapolitik, Manuel Sarrazin, am Montag in Berlin. "Aus Verbundenheit und Freundschaft mit Ungarn muss Bundeskanzlerin Merkel ihr Schweigen dazu endlich brechen. Wir erwarten von Frau Merkel, dass sie am Dienstag gegenüber dem ungarischen Präsidenten Áder klare Worte findet und die Sorgen über die Funktionsfähigkeit der ungarischen Demokratie offen anspricht." Es sei bedauernswert, dass sich Merkel "kein Beispiel an der deutlichen Kritik des Auswärtigen Amtes genommen" habe, so Sarrazin weiter. Der Vorschlag zur Änderung der Verfassung sehe eine Einschränkung der Kompetenz des bisher als unabhängiges Korrektiv auftretenden Verfassungsgerichts sowie eine Einschränkung der Meinungsfreiheit zum angeblichen Schutz der Würde der ungarischen Nation vor, so der Grünen-Sprecher für Europapolitik weiter. "Diese Änderungen erwecken den Anschein, dass die Gewaltenteilung in Frage gestellt wird. Aus unserer Sicht stehen sie nicht im Einklang mit den europäischen Grundwerten", betonte Sarrazin.
Quelle: dts Nachrichtenagentur