IMK-Chef warnt vor Ende der Euro-Zone bei Schuldenschnitt für Griechenland
Archivmeldung vom 20.11.2012
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.11.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDer Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, hat vor den Folgekosten eines Schuldenschnitts für Griechenland gewarnt. "Denn es ist damit zu rechnen, dass die Märkte panisch mit Abzug von Kapital aus den anderen Krisenländern reagieren, und dort die Stützungsmaßnahmen ausgedehnt werden müssten", sagte Horn "Handelsblatt-Online".
Zudem dürfe die Europäische Zentralbank (EZB) keine Stützung mehr für Griechenland leisten, und es sei fraglich, ob sie das noch für die anderen Krisenländer dürfte, da Staatsanleihen offenkundig nicht mehr sicher wären. "Damit würde der letzte Stützpfeiler der Währungsunion einbrechen, das Ende des Euro, wie wir ihn kennen, wäre wahrscheinlich", sagte Horn.
Für einen Schuldenschnitt plädierte dagegen Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Degussa Goldhandel und Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance. "In dem Fall, in dem sich weiter Rettungskredit an Rettungskredit reiht und kein Schuldenschnitt vollzogen wird, könnte dies den deutschen Steuerzahler allein für Griechenland vermutlich im Bereich von 95 Milliarden Euro kosten, einschließlich der Verluste bei der EZB, was etwa 3,5 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts entsprechen würde", sagte Polleit "Handelsblatt-Online".
Der bisherige Weg der "Rettungsprogramme" könne daher so nicht fortgeführt werden. An einem Schuldenschnitt führe kein Weg vorbei. Nach Ansicht Polleits wäre es für den Reformprozess in Griechenland das Beste, wenn Kredite für den Staat nur zu Konditionen am freien Markt zur Verfügung stehen. Da dies für das Land derzeit nicht möglich sei, bleibe nichts anderes übrig, als dass die Staatsausgaben den Staatseinnahmen angepasst würden. "Ein Ende mit Schrecken wäre besser als ein Schrecken ohne Ende", sagte der Ökonom.
Der IMK-Chef Horn erklärte hingegen, dass die Hilfen für Griechenland den deutschen Staat und damit den Steuerzahler bisher nichts gekostet hätten. "Wenn man genau rechnen würde, hat er durch krisenbedingten niedrigen Zinsen bislang sogar von der Krise profitiert." Gelitten habe allerdings die Exportwirtschaft durch Ausfälle von Lieferungen nach Griechenland als Folge der dort praktizierten Austeritätspolitik. Dies habe auch Steuerausfälle zur Folge.
Darüber hinaus bürge der deutsche Staat für Zins verbilligte Kredite an Griechenland. "Es besteht also ein Kreditausfallrisiko", sagte Horn. Im Rahmen der Rettungspakete I und II belaufe sich der Bürgschaftsrahmen auf insgesamt 59,28 Milliarden Euro. "Bei einem Schuldenschnitt heute wären aber nur die bereits ausgezahlten Mittel betroffen, dies sind 37,14 Milliarden Euro."
Da man davon ausgehen könne, dass es nicht zu einem vollständigen Erlass komme, vermindere sich der Betrag entsprechend der Rate des Kreditausfalls. Bei 50 Prozent, so Horn, fiele eine Abschreibung in Höhe von 18,57 Milliarden Euro an. Berücksichtigt werden müssten überdies noch Abschreibungen, die die EZB vornehmen müsse. Deutschland stehe hier seinem EZB- Kapitalanteil entsprechend für die insgesamt 108 Milliarden Euro Target-Verbindlichkeiten Griechenlands in der Haftung. Hinzu kämen anteilmäßig Verluste, die durch Abschreibungen auf griechische Wertpapiere im Besitz der EZB, etwa 30 bis 50 Milliarden entstünden, erläuterte der IMK-Chef.
Seehofer lehnt direkte Hilfen für Griechenland ab
Für den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer kommen trotz der prekären Finanzsituation in Griechenland direkte Hilfen für das von der Pleite bedrohte Land nicht in Frage. "Ich werde das für die CSU ablehnen", sagte der Politiker der "Rheinischen Post".
Er habe immer die Auffassung vertreten: Hilfen nur gegen Auflagen. "Das hat uns bei der Krisenbewältigung in den vergangenen drei Jahren geleitet", sagte Seehofer. In der vergangenen Woche waren Pläne der Bundesregierung bekannt geworden, den Griechen direkte Hilfen aus dem Bundeshaushalt zu geben.
Der CSU-Politiker warnte allerdings davor, allein auf Sparen und Reformen zu setzen. "Wir müssen mehr auf das Wirtschaftswachstum Rücksicht nehmen", sagte der bayerische Regierungschef. Man müsse auch darüber reden, den Krisenstaaten mehr Zeit zu geben, um aus der Schuldenkrise zu kommen. Denn die wirtschaftliche Lage habe sich in Europa insgesamt verschlechtert.
Quelle: dts Nachrichtenagentur