"Bremer Taliban" Kurnaz wurde in Afghanistan von deutschen Soldaten misshandelt
Archivmeldung vom 04.10.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDer als "Bremer Taliban" bekannt gewordene Murnat Kurnaz wurde nach seiner Verschleppung nach Afghanistan in einem geheimen US-Gefängnis anscheinend auch von deutschen Elitesoldaten misshandelt.
Das berichtet das Hamburger Magazin stern in seiner am
Donnerstag erscheinenden Ausgabe, in der Kurnaz sich in einem
Exklusiv-Interview erstmals über seine Entführung und den
anschließenden vierjährigen Aufenthalt in US-Gefängnissen in
Afghanistan und Guantánamo äußert.
Der heute 24-jährige Schiffsbauer aus Bremen war am 1. Dezember 2001 im pakistanischen Peshawar auf dem Weg zum Flughafen, wo er seinen Heimflug antreten wollte, an einem Checkpoint aus dem Shuttlebus gezogen und nach Kandahar in eines der berüchtigten US-Geheimgefängnisse verschleppt worden. Dort wurde er nach seinen Angaben von Angehörigen des US-Militärs gefoltert, unter anderem mit Elektroschocks. In dem US-Gefängnis wurde Kurnaz aber auch von deutschen Soldaten misshandelt, wie er nun dem stern berichtet: "Ich war noch keine zwei Wochen dort, da wurde ich abends hinter zwei Lastwagen geführt. Es hieß, zwei deutsche Soldaten wollten mich sehen. Sie trugen Camouflage-Uniformen, das Tarnmuster war aus kleinen Punkten zusammengesetzt, wie vom Computer gemacht, und sie trugen die deutsche Flagge am Ärmel. Ich musste mich hinlegen, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Der eine zog mich an den Haaren hoch. 'Weißt Du, wer wir sind?' Der wollte angeben. 'Wir sind die deutsche Kraft.' Er hat jedenfalls meinen Kopf auf den Boden geschlagen, und die Amerikaner fanden das lustig."
Bei den deutschen Soldaten handelt es sich nach Recherchen des
stern aller Wahrscheinlichkeit nach um Angehörige der Elite-Einheit
KSK, Kommando-Spezialkräfte, damals die einzigen deutschen Soldaten
im afghanischen Kandahar.
Nach zwei Monaten in dem Foltergefängnis in Afghanistan wurde Kurnaz von US-Militärs in das Gefangenenlager nach Guantánamo gebracht. Wie der stern berichtet, wurde Kurnaz dort auch von Beamten des Bundesnachrichtendienstes (BND) und mehrmals von einem Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) besucht und vernommen. Gegenüber der PKG, dem Geheimdienstkontrollgremium des Bundestages, hatten nach Informationen des stern der damalige BND-Chef August Hanning, heute Staatssekretär im Bundesinnenministerium, sowie BfV-Präsident Heinz Fromm nur einen einzigen Guantánamo-Besuch ihrer Beamten bei Kurnaz eingeräumt, und zwar im September 2002.
Damals waren die Verhörexperten von BND und BfV zu der Überzeugung
gekommen, dass Kurnaz völlig unschuldig sei, so der stern. Bei Murat
Kurnaz deute "nichts" auf "Kontakte zu Taliban- oder
al-Qaeda-Strukturen" hin, heißt es dazu in einem geheimen
Regierungsbericht. Die "US-Seite hat sich dieser Bewertung
angeschlossen". Trotzdem nahmen die Deutschen dem Mann aus Bremen die
Zusage ab, nach seiner Freilassung als Spitzel im Islamistenmilieu zu
arbeiten. Nach Information des stern erwog der BND sogar, ihn im
Inland zu "nutzen", der Verfassungsschutz plante eine "gemeinsame
Operation mit dem US-Partnerdienst", wie es in einem Geheimbericht
heißt. Die Amerikaner waren von der Idee, Kurnaz als V-Mann zu
nutzen, ebenfalls angetan und sagten zu, den Bremer "bis November
nach Deutschland zurück zu bringen".
Im Kanzleramt in Berlin beurteilte man diese Pläne jedoch "sehr
kritisch". Als die Amerikaner nachfragten, ob der türkische
Staatsbürger nach Deutschland oder in die Türkei gebracht werden
sollte, plädierte BND-Chef August Hanning am 29. Oktober 2002, wie
aus Regierungsunterlagen hervorgeht, "für eine Einreisesperre für
Deutschland". Vertreter von Kanzleramt und Innenministerium "teilten
diese Auffassung".
Kurnaz wurde daraufhin weiter in Guantánamo unschuldig gefangen
gehalten, gefoltert und regelmäßig verhört - laut stern auch von dem
deutschen Verfassungsschutzbeamten Dr. K., Leiter im Referat
Ausländer-Fundamentalismus.
Quelle: Pressemitteilung stern