Experten warnen vor Atomkatastrophe in der Ukraine
Archivmeldung vom 30.08.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWegen der eskalierenden Kämpfe in der Ukraine wächst das Risiko für die Atomanlagen in dem Land. Darauf haben Atomexperten im Gespräch mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) hingewiesen. Derzeit sind in der Ukraine 15 Reaktoren an vier Standorten in Betrieb. Sie decken rund die Hälfte des Strombedarfs des Landes. Nur rund 200 Kilometer von der Kampfzone entfernt stehen die sechs Reaktorblöcke der Nuklearanlage Saporischschja. Sie gilt als größte Atomanlage Europas.
Gegen einen direkten Beschuss sind die Reaktoren kaum geschützt. Die Reaktorhülle aus Beton sei nur 1,20 Meter dick und überstehe nur den Absturz kleinerer Flugzeuge, sagte Tobias Münchmeyer, Atomexperte von Greenpeace. "Es gibt in der Region viele panzerbrechende Waffen, die diese Hülle durchschlagen können." Auch ein Angriff auf die Stromversorgung oder das Stromnetz könne durch den Ausfall der Kühlung verheerende Folgen haben, wie das Beispiel Fukushima zeigte. Münchmeyer weist auf ein weiteres Risiko hin: Da alle Meiler russischer Bauart sind, sei auch die Abhängigkeit von russischen Experten und Ersatzteilen groß. "Man kann sich vorstellen, dass nötige Lieferungen jetzt ausbleiben."
Michael Sailer, Atomexperte vom Ökoinstitut in Darmstadt, betonte, dass nicht nur ein direkter Beschuss des Reaktors ein großes Sicherheitsrisiko darstellt. Auch die Zerstörung von Hochspannungsleitungen oder sensibler Anlagen im Umfeld der Atomanlage könnten fatale Folgen haben. Der Ausfall der Stromversorgung über mehrere Stunden könne zu einer Kernschmelze führen. "Dann haben wir eine Situation wie in Fukushima", sagte Sailer zur WAZ. Da niemand wisse, ob sich die Kämpfe ausweiten, müssten die Reaktoren möglichst rasch heruntergefahren werden, fordert er.
Die deutsche Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) beobachtet die Entwicklung nach eigenen Angaben sehr genau und ist in engem Austausch mit den Behörden in der Ukraine. Es gebe aber zurzeit "keine Informationen, die Anlass zu konkreten Beunruhigungen geben", teilt die GRS auf Anfrage mit.
Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (ots)