Politik-Experte Segbers: Polen hat innenpolitische Gründe für EU-Kritik
Archivmeldung vom 19.06.2007
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDie Gründe für die polnische Kritik am Vorschlag der anderen EU-Staaten für die Stimmenverteilung innerhalb der EU liegen für den Osteuropa-Experten Klaus Segbers in der Innenpolitik Polens:
"International im europäischen Umfeld kann man nicht wirklich gute Gründe erkennen, die diese polnische Strategie rechtfertigen würden. Ich denke, es ist primär ein innenpolitischer Hintergrund", sagte der Professor des Osteuropa-Instituts der Freien Universität Berlin im "ZDF-Mittagsmagazin" am Dienstag, 19. Juni 2007.
Die polnische Regierung setze darauf, dass ihnen diese Symbole des Widerstands gegen den Rest von Europa innenpolitisch Punkte brächten, so Segbers. "Das scheint einigen Umfragen nach ja wohl auch so zu sein." Denn insgesamt profitiere Polen ja sehr stark von der EU-Mitgliedschaft. Warum die Regierung jetzt von einer deutschen Dominanz oder einer polnischen Benachteiligung spreche, sei nicht mit logisch-rationalen Ideen, sondern nur innenpolitisch zu erklären. "Aber davon dürfen wir uns in der EU nicht abhängig machen", forderte Segbers.
Man müsse sich noch einmal klarmachen, worum es hier gehe, sagte Segbers. Europa müsse in Zeiten weltpolitischer Wirren, Unklarheiten und Schwächen, etwa mit Blick auf Russland, die USA oder China, gestärkt werden. "Dazu brauchen wir neue Entscheidungsmechanismen. Europa muss in der Lage sein, außen- und sicherheitspolitisch handlungsfähiger zu sein", betonte Segbers. "Dazu brauchen wir neue Mehrheitsregeln, die jetzt beschlossen werden müssen. Und da ist die eine oder andere Quadratwurzel ein zu kleines Karo."
Man müsse versuchen, das Thema "Stärkung Europas" insgesamt durch eine Verbesserung der Entscheidungsstrukturen etwas weiter nach vorne zu schieben. "Dann halte ich es durchaus für möglich, dass man vielleicht doch noch in dieser Woche zu einer Entscheidung kommen könnte", sagte Segbers.
Quelle: Pressemitteilung ZDF