Oberster EU-General für "robustes Mandat" in Ukraine
In der Debatte um mögliche Friedenstruppen in der Ukraine hält der oberste Militär der Europäischen Union eine "UN-mandatierte Mission" für denkbar, um einen Waffenstillstand zu sichern. Der Vorsitzende des EU-Militärausschusses, Robert Brieger, sagte der "Welt am Sonntag": "Zur Überwachung einer entmilitarisierten Zone entlang der Front wäre aber sicherlich eine Militärpräsenz von einer Größenordnung im höheren fünfstelligen Bereich notwendig."
Hintergrund: Beim Weltwirtschaftsforum in Davos hatte der ukrainische
Präsident Wolodymyr Selenskyj in dieser Woche eine viel höhere Zahl
gefordert. "Von allen Europäern? 200.000, das ist das Minimum. Das ist
das Minimum, sonst ist es gar nichts", sagte Selenskyj, als er nach
einer Friedensmission befragt wurde.
Österreichs
Ex-Generalstabschef Brieger sagte der "Welt am Sonntag" weiter, einer
solchen Mission könnten "nicht nur Europäer" angehören, "sondern
beispielsweise auch Soldatinnen und Soldaten aus dem globalen Süden oder
aus dem Kaukasus". Allerdings wären die EU-Soldaten "sicherlich in der
Lage, einen substanziellen Beitrag zu leisten". Brieger: "Ich denke, die
EU-Mitgliedstaaten könnten, abhängig von einer politischen
Entscheidung, ebenfalls ein beträchtliches Kräftedispositiv für die
Überwachung eines Waffenstillstands in der Ukraine bereitstellen." Um
ein Wiederaufflammen des Krieges zu verhindern und den Waffenstillstand
effektiv zu sichern, müsste man die Truppen aus militärischer Sicht "mit
einem robusten Mandat ausstatten", so Brieger. "Das bedeutet: Die
Soldaten müssten auch das Recht haben, den Waffenstillstand mit dem
Einsatz von Waffen und Luftunterstützung durchzusetzen. Das klingt
derzeit noch alles sehr theoretisch, dieses Szenario könnte aber auf uns
zukommen."
Der designierte UN-Botschafter der Ukraine Andrij
Melnyk forderte "Hunderttausende Soldaten mit einem sehr robusten Mandat
zur Abschreckung", damit diese "auf alle möglichen Vorstöße Moskaus
sofort - auch mit Waffengewalt - reagieren könnten". Die Bundeswehr
solle dabei eine zentrale Rolle spielen, sagte der frühere Botschafter
Kiews in Deutschland der "Welt am Sonntag". "Für den Erfolg dieser
militärischen Friedensmission wäre es allerdings unabdingbar, dass das
keine rein europäische, sondern eine transatlantische Initiative wäre."
Oberst
André Wüstner, Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes, warnte
indes vor dem Scheitern einer solchen Mission aufgrund mangelnder
militärischer Fähigkeiten der Europäer. "Vor einer strategischen
Entscheidung für eine eventuelle Friedensmission muss unbedingt Klarheit
über die Rahmenbedingungen und zur Verfügung stehenden Ressourcen
bestehen, andernfalls ist das Scheitern programmiert", sagte er der
"Welt am Sonntag". Es sei richtig, sich international abzustimmen und
planerisch vorzubereiten. Deutschland komme an der Beteiligung an der
Mission nicht vorbei, so der Oberst, zuvor müssten allerdings
"schnellstmöglich die auch dafür notwendigen Rüstungsbeschaffungen
eingeleitet werden". Derzeit seien weder das Heer noch der
Sanitätsdienst über einen längeren Einsatzzeitraum ausreichend
durchhaltefähig.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Vorsitzende
des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung im EU-Parlament, mahnte
ebenfalls eine rechtzeitige Vorbereitung an, um einen Waffenstillstand
zu kontrollieren oder die Sicherheit der Ukraine bei einem Ende des
Krieges zu gewährleisten: "Auf ein solches Szenario sollten sich alle
europäischen Militärs vorbereiten." Derzeit sei allerdings nicht
absehbar, dass Putin seine Kampfhandlungen einstelle.
Quelle: dts Nachrichtenagentur