Chef der UN-Mission in Afghanistan: Die Situation vieler Rückkehrer ist heillos
Archivmeldung vom 15.03.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Leiter der UN-Mission in Afghanistan, Tom Koenigs, hat vor der Rückführung der in Deutschland und anderen Staaten lebenden Afghanen gewarnt. "Wer die Situation kennt, dem ist schnell klar: Dieses Land ist nicht aufnahmefähig", sagte der Grünen-Politiker dem Berliner "Tagesspiegel".
"Die
ökonomische Situation vieler Rückkehrer ist heillos", sagte er. Ihre
Häuser seien zerstört oder inzwischen an andere vergeben worden. "Die
wirtschaftlichen Möglichkeiten für jemanden, der zurückkehrt, sind in
Afghanistan gleich Null", sagte Koenigs, der das Amt am 15. Februar
dieses Jahres übernommen hatte. Er habe mit dem früheren
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) darüber "manche scharfe
Diskussion geführt". Er habe den Eindruck, "dass der neue
Bundesinnenminister sich intensiv mit dem Thema Afghanistan befasst".
"Dies ist nun einmal das fünftärmste Land der Welt. Mit einer
nicht existierenden Produktion, mit schwierigster Infrastruktur,
nicht einmal die Wetterbedingungen sind einfach. Niemandem wird es
daher gelingen, aus Afghanistan in absehbarer Zeit einen Tigerstaat
zu machen", sagte Koenigs der Zeitung. "Zudem haben wir hier
politische Strukturen geschaffen, die für ein entwickeltes Land
richtig sind. Das heißt, wir haben einen Mantel genäht, der sehr groß
ist. Und dann sieht man die Defizite sofort", sagte er. So hätten
sich die Vereinten Nationen dafür eingesetzt, "dass die Polizei
demokratisch ist und ihre Macht nicht zum eigenen Vorteil
missbraucht. Das sind Erziehungsprozesse, die nicht in drei Monaten
greifen."
Auch die Befreiung der Frau schreite nur langsam voran.
"Niemand mehr muss in diesem Land verschleiert gehen oder gar in der
Burkha - dennoch tragen alle die Burkha. Die Strukturen sind unten
noch nicht angekommen", sagte Koenigs.
Über seine Arbeitsbedingungen angesichts der angespannten
Sicherheitslage in Afghanistan sagte der Grünen-Politiker, er
bedauere, dass er "unter ständiger Bewachung" stehe. "Dass ich nur
schwer bewaffnet in gepanzerten Wagen durch die Stadt fahren kann,
muss ich akzeptieren. Zumindest habe ich mir ausbedungen, dabei auf
Blaulicht zu verzichten", sagte Koenigs.
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel