BJO-Stellungnahme zum Fund eines Massengrabes in Marienburg
Archivmeldung vom 12.01.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.01.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittBereits seit Oktober 2008 ist der Bundesregierung bekannt, dass bei Abrissarbeiten auf dem Gelände des ehemaligen „Polnischen Hauses“ im westpreußischen Marienburg die sterblichen Überreste von 1800 Menschen gefunden wurden.
Auch das Auswärtige Amt – genauer dessen Rechtsabteilung und das Referat 503 (Kriegsfolgen) – wurde von dem Fall in Kenntnis gesetzt. Weder Bundesregierung noch Auswärtiges Amt haben sich bis zum heutigen Tage öffentlich zu den Vorkommnissen in Marienburg geäußert.
Da nach Medienberichten inzwischen davon auszugehen ist, daß es sich bei den bis jetzt gefundenen 1800 Toten um die Leichen deutscher Staatsbürger handelt, ist dieses Verhalten unverständlich. Auch wenn Marienburg heute nicht mehr auf deutschem Territorium liegt, so hat die deutsche Bundesregierung dennoch die Pflicht, das Schicksal dieser 1800 Menschen aufzuklären und den Verwandten und Hinterbliebenen dieser Kriegsopfer endlich einen würdigen Ort der Trauer zu schaffen. Es wäre in der Tat nicht zu erklären, wenn die Bundesregierung sich in dieser Sache ihrer Verantwortung entzöge und darauf hoffte, daß sich das politische Tagesgeschehen stärker in den Köpfen der Bevölkerung festsetzt als die Toten von Marienburg.
Wenn schon von deutscher Seite bislang keinerlei Interesse an der Aufklärung dieses Verbrechens gezeigt wurde, so ist um so mehr den heutigen, zumeist jungen polnischen Einwohnern von Marienburg Anerkennung auszusprechen, die sich nicht mit den Erklärungen polnischer Stellen zufriedengeben, nach denen es sich bei den 1800 Toten um Opfer der Kämpfe zwischen Roter Armee und Deutscher Wehrmacht handelt, sondern die genau hinsehen und fragen, warum diese angeblich in die Schußlinie deutscher und russischer Gewehrsalven geratenen Menschen vor ihrem Tod entkleidet wurden, warum man Reste dieser Kleidung wenig entfernt gefunden hat und warum einzelne dieser 1800 Toten Einschüsse genau über dem Nasenbein aufweisen. 1800 Menschen, Frauen, Kinder, Greise, die uns mahnen, 1800 Opfer eines furchtbaren Krieges.
Wir jungen Demokraten fühlen uns verpflichtet, der Toten zu gedenken und ihnen eine würdige Gedenkstätte zu errichten. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich auf der Grundlage der Völkerverständigung, jedoch in der Sache rückhaltlos, für die Aufklärung dieses Verbrechens an deutschen Staatsbürgern einzusetzen. Wir danken den heutigen Einwohnern von Marienburg, die schon längst im europäischen Geist diese Aufklärung verlangen. Wir klagen die deutschen Medien an, sich erst zwei Monate nach Bekanntgabe dieser Verbrechen entschlossen zu haben, darüber zu berichten.
Der Goethepreisträger Raymond Aron stellte fest: „Der Charakter und die Selbstachtung einer Nation zeigen sich darin, wie sie mit ihren Opfern der Kriege und mit ihren Toten umgeht.“
Wir hoffen, daß unser Appell an die Bundesregierung, die deutsche Öffentlichkeit und die Medien Gehör findet und daß wir bald vor einer würdigen Gedenkstätte für die Ermordeten von Marienburg stehen können, die in deutscher, polnischer und russischer Sprache über das Schicksal der Toten aufklärt.
Quelle: Der Bundesvorstand Bund Junges Ostpreußen (BJO)