SPD-Verteidigungspolitiker legen Konzept für 28. EU-Armee vor
Archivmeldung vom 16.11.2020
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.11.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttStatt sich wie bisher auf eine Weiterentwicklung der Kooperation der 27 nationalen Streitkräfte zu konzentrieren, soll eine neue, eigene Armee geschaffen werden - parallel zu den nationalen Truppen wie der Bundeswehr. Die 28. Armee soll direkt der EU-Kommission unterstellt und von einem neu zu berufenden Verteidigungskommissar verantwortet werden, berichtet die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf ein SPD-Konzeptpapier.
Die politische Kontrolle würde demnach über einen ebenfalls zu gründenden Verteidigungsausschuss im Europaparlament erfolgen, nach Vorbild der deutschen Parlamentsarmee würden die Abgeordneten auf Antrag der Kommission mit einfacher Mehrheit über Einsätze entscheiden. "Es geht uns darum, unabhängig von den leidigen Souveränitätsfragen die Handlungsfähigkeit der EU zu verbessern", sagte Fritz Felgentreu, der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, der "Welt am Sonntag".
Und weiter: "Neben der schon vorhandenen handelspolitischen Durchsetzungsfähigkeit und der angestrebten größeren Geschlossenheit in der Diplomatie kann die 28. Armee den militärischen Pfeiler europäischer Zusammenarbeit nachhaltig stärken." Der Nukleus der 28. Armee orientiert sich laut Konzeptpapier an den bereits existierenden Battlegroups. Demnach basiert die Armee in ihrer Anfangsbefähigung auf rund 1.500 Soldaten. Mittelfristig soll sie auf die Größe einer verstärkten Kampftruppenbrigade wachsen und dam
it inklusive der Unterstützungselemente wie Logistik und Sanität auf rund 8.000 Soldaten ansteigen. Das Besondere an der Idee: Die Angehörigen der 28. Armee werden nicht aus Kontingenten nationaler Streitkräfte bereitgestellt, sondern rekrutieren sich aus Berufssoldaten, die bereits in EU-Armeen dienen und sich auf die einzelnen Dienstposten bewerben.
Mit dem Eintritt in die 28. Armee unterstehen diese Soldaten dann nicht mehr ihren nationalen Kommandostrukturen, sondern einem "Chief of Defence" der EU, ähnlich dem Generalinspekteur der Bundeswehr. Der würde auf Vorschlag des Verteidigungskommissars nach Bestätigung des Parlaments ernannt. Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth, sagte zum Vorschlag seiner Parteifreunde der Zeitung: "Eine gemeinsame Armee wäre für mich der konsequente Endpunkt einer immer stärkeren Kooperation in der Verteidigungspolitik." Eine solche Armee setze aber die Bereitschaft voraus, in strategischen Fragen konsens- und kompromissfähi
g zu werden. "Die Frage ist letztlich: Sind die 27 Mitgliedstaaten bereit, in Sachen ihrer Sicherheit so weit zu gehen und gemeinsam so konsequent an einem Strang zu ziehen?" Skeptischer ist der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU): Der Vorschlag der SPD sei gut gemeint, aber "eine Träumerei", sagte der CDU-Vorsitzkandidat dem Blatt.
"Militärisch unpraktikabel, finanziell unverantwortlich, mit den europäischen Verträgen unvereinbar und in Deutschland wohl auch durch Verfassungsänderung unerreichbar." Die EU sei kein Staat, ihre Mitglieder aber seien es. "Hieran scheitert der Vorschlag der SPD grundlegend. Einen militärischen Einsatz der EU-Kommission gegen den Willen einzelner Staaten würde die EU nicht lange überleben." Der frühere Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), begrüßt hingegen den Vorstoß. "Das ist ein Supervorschlag, der geeignet ist, den Stillstand in Brüssel aufzubrechen", sagte Bartels der "Welt am Sonntag".
Und weiter: "Und klar ist: Die rotierenden Battlegroups haben sich in der Tat nicht bewährt." Tatsächlich hat die EU-Kommission derzeit Probleme, Truppensteller für die EU-Battlegroups für das erste Halbjahr 2021 zu finden, Bis Ende Dezember führen noch Deutschland und Italien die jeweils rund 1.500 Soldaten umfassenden Kampfgruppen, die der EU als schnelle Krisenreaktionskräfte exklusiv zur Verfügung stehen. Die EU-Kommission hat nun Berlin und Rom gebeten, die Aufgabe für zumindest drei weitere Monate fortzuführen, berichtet die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf eigene Informationen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat demnach grundsätzlich Bereitschaft signalisiert - allerdings nur, sofern weitere Teilfähigkeiten von anderen Ländern übernommen werden.
Quelle: dts Nachrichtenagentur