Neue Diskussion über Machtverhältnisse im EZB-Rat
Archivmeldung vom 16.04.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Diskussion über die Machtverhältnisse im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) ist neu entbrannt. Politiker der schwarz-roten Koalition wandten sich im Gespräch mit "Handelsblatt-Online" gegen den Einwand, dass das zeitweise Ausscheiden von Bundesbankpräsident Jens Weidmann aus dem Zentralbankrat bedingt durch den Beitritt weiterer Länder zur Währungsunion eine "erhebliche Schwächung der deutschen Position" darstelle. Anlass ist eine Bestimmung in den Statuten der Notenbank aus dem Jahr 2003. Demnach soll ab einer bestimmten Größe im EZB-Rat ein Rotationsverfahren gelten, damit das oberste Entscheidungsgremium beschlussfähig bleibt.
Diese Situation tritt ein, wenn Litauen den Euro wie geplant im kommenden Jahr einführt. Dann wären erstmals mehr als 18 Zentralbankpräsidenten im EZB-Rat vertreten. Es wäre der Startschuss für das Inkrafttreten des veränderten Abstimmungsverfahrens. Die Deutsche Bundesbank würde dann zeitweise ihr Stimmrecht verlieren. Die fünf größten Eurostaaten - derzeit Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande - sollen sich dann im monatlichen Wechsel vier stimmberechtigte Sitze teilen.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch kritisierte die Regelung: "Wenn sich die Krise dann wieder einmal zuspitzt und über Nacht Fakten geschaffen werden, was in den letzten Jahren nicht selten vorgekommen ist - dann dürfen wir Deutschen als Hauptzahler nicht einmal mitstimmen", sagte Willsch "Handelsblatt-Online". Die Parlamentarier im Bundestag dürften sich daher "nicht wegducken". Der Vize Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus (CDU), erinnerte daran, dass der EZB-Rat unabhängig von nationalstaatlichen Interessen sei. Es sei aber durchaus von Bedeutung, dass Weidmann ungeachtet der Rotation "ständig" in der Runde des EZB-Rates dabei sei, sagte Brinkhaus "Handelsblatt-Online".
Entscheidend sei zudem, dass Deutschland mit Sabine Lautenschläger, der früheren Bundesbank-Vizepräsidentin, eine weitere deutsche Vertreterin in der EZB habe. Auch die SPD sieht keine Veranlassung an der Rotationsregel zu rütteln. "Die Entscheidungen der EZB dienen der Geldwertstabilität im Euro-Raum insgesamt", sagte Fraktionsvize Carsten Schneider "Handelsblatt-Online". Die wichtigsten Grundlagen dafür seien die Glaubwürdigkeit und deshalb die Unabhängigkeit der EZB. "Eine nationale Betrachtung dieser Entscheidungen wäre deshalb diesen Grundlagen abträglich."
Der Finanzminister von Rheinland-Pfalz, Carsten Kühl, sagte "Handelsblatt-Online", wer das verabredete Prozedere in Zukunft anders gestalten wolle, müsse sich auch damit durchsetzen. "Ich denke nur, wir sollten hier keine nationalistischen Töne anschlagen." Der FDP-Finanzpolitiker Volker Wissing meinte dagegen, Deutschland sollte als größter Kapitalgeber auch über eine "angemessene" Vertretung im EZB-Rat verfügen. "Das ist eine politische Selbstverständlichkeit", sagte Wissing "Handelsblatt-Online". "Allerdings hat Deutschland den derzeitigen Regeln zugestimmt und kann diese nur gemeinsam mit den Partnerländern ändern."
Der Chef der Alternative für Deutschland (AfD), der Hamburger Ökonom Bernd Lucke, sieht in dem Rotationsverfahren eine "erhebliche Schwächung der deutschen Position". Kleine Länder könnten die großen überstimmen, obwohl sie nach Wirtschaftskraft und Bevölkerung lange nicht so bedeutend seien. "Naturgemäß birgt es auch die Gefahr, dass der traditionelle deutsche Stabilitätskurs beiseite gewischt wird", sagte Lucke.
Quelle: dts Nachrichtenagentur