Lederindustrie in Savar, Bangladesch: Neue Studie zeigt erschreckende Arbeitsbedingungen
Archivmeldung vom 14.09.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićMenschen in der Lederindustrie arbeiten in Bangladesch unter schwerwiegenden arbeits- und menschenrechtlichen Risiken. Dazu zählen extrem niedrige Löhne, Gesundheitsrisiken am Arbeitsplatz, massive Umweltverschmutzung und erzwungene Überstunden. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie von INKOTA und der Organisation Bangladesh Labour Foundation (BLF), der eine umfangreiche Recherche im Gerberei-Zentrum Savar, nach der Umsiedelung von Hazaribagh zugrunde liegt.
Ashraf Uddin Mukut, geschäftsführender Direkter der BLF erklärt: "Einkäufer, die Waren aus Bangladesch beziehen, scheinen alle Sicherheitsrisiken, Arbeitnehmerrechte und Umweltrisiken zu ignorieren. Die Menschen werden dadurch in eine höchst prekäre Situation gebracht. Deshalb müssen Abnehmer von Lederwaren ihre Lieferketten offenlegen und eine faire Einkaufspraktik sicherstellen."
Unsichere Beschäftigungsverhältnisse, hohe Gesundheitsrisiken, minimale Bezahlung
Aus der Umfrage geht hervor, dass 111 der 120 befragten Arbeitnehmer*innen mit befristetem oder ganz ohne Arbeitsvertrag beschäftigt sind. Das sind 95 Prozent aller Befragten die keinen formellen oder unbefristeten Beschäftigungsnachweis haben. Eine Mehrheit von 75 Prozent der Befragten arbeitet ohne angemessene Schutzausrüstung und 79 Prozent sind nicht darin geschult, wie man Chemikalien sicher verwendet. Eine große Anzahl der Befragten leidet unter gesundheitlichen Problemen: 13 Prozent geben an, unter Kurzatmigkeit zu leiden, 28 Prozent unter Hautkrankheiten, 32 Prozent unter Magenbeschwerden und 63 Prozent unter Kopfschmerzen.
Gleichzeitig erhalten die Arbeiter*innen ein Einkommen unterhalb des Minimums. Der nationale Mindestlohn für Gerbereiarbeit liegt bei 13.500 Taka, umgerechnet etwa 143 Euro, pro Monat. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Befragten gibt an, unterhalb dieses Minimums bezahlt zu werden.
"Die Zustände sind mehr als unhaltbar. Die Lederbranche muss diese Risiken in ihrer gesamten Lieferkette abstellen und ihre Einkaufspraktiken anpassen. Menschenrechtsverletzungen, die Gefährdung von Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz und in angrenzenden Gemeinden, 'Lohndiebstahl' sind nach wie vor eklatante Probleme. Damit muss Schluss sein! Deshalb sind Rückverfolgbarkeit und Transparenz, öffentliche Berichtspflicht über die Analyse der Risiken und deren Beseitigung dringend notwendig!", erklärte Berndt Hinzmann von INKOTA.
Starke Umweltverschmutzung bei den untersuchten Gerbereien
BLF und Rapid befragten 120 Arbeiter*innen aus 26 Gerbereien im Gerberei-Zentrum Savar in Dhaka. Dieses Industriegebiet wurde neu entwickelt aufgrund von schwerwiegenden Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen in Hazaribagh. Mit dem Ziel, internationale Umweltstandards erfüllen zu wollen, kündigte die Regierung die Umsiedlung an und versprach dabei bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen. Jedoch funktionieren die Kläranlagen nicht, auch in Savar nehmen Verschmutzung und Gefahren zu. Im März 2022 mußte das Umweltministerium, aufgrund der massiven Verschmutzung des Dhaleshwari-Flusses die Schließung von sieben Gerbereien anordnen.
Export ins Ausland ohne Transparenz
Mit einem Wert von 1,24 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022 ist der Export von Leder, Lederwaren und Schuhen die drittgrößte Quelle für Exporteinnahmen in Bangladesch, nach Konfektionskleidung und Wohntextilien. Neben China ist Europa der wichtigste Abnehmermarkt für Lederwaren. Aufgrund mangelnder Transparenz in internationalen Lieferketten ist die Nachverfolgung schwierig.
Quelle: INKOTA-netzwerk e.V. (ots)