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Chinesischer Botschafter bat um Geld für "bessere" China-Berichterstattung

Archivmeldung vom 15.01.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.01.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Deutschland und China
Deutschland und China

Bild: Eigenes Werk /OTT

Die chinesische Botschaft in Berlin hat sich im vergangenen Jahr für ein journalistisches Projekt eingesetzt, mit dem Einfluss auf die deutsche Chinaberichterstattung genommen werden sollte.

In einem Schreiben, das nach Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" unter anderem an mehrere deutsche DAX-Konzerne ging, warb der damalige chinesische Botschafter Shi Mingde im Februar 2019 dafür, Geld für ein "China-Portal für Deutschland" bereitzustellen. Shi erklärte in dem Schreiben u. a., dass es sein Anliegen sei, den Deutschen "ein besseres China-Bild zu vermitteln". Das Projekt mit dem Namen "Chinareporter" wurde von zwei deutschen Journalisten konzipiert, einem ehemaligen Mitarbeiter des "Manager Magazins" und einem freien Mitarbeiter, der unter anderem für die Wochenzeitung "Die Zeit" und den "Spiegel" schreibt. Beide Journalisten gelten als renommierte Chinakenner.

Den beiden Journalisten sei es mit ihrem Projekt "Chinareporter" zuzutrauen, "das China-Bild in Deutschland dauerhaft zu beeinflussen und objektiver" zu gestalten. Die hochrangigen Wirtschaftsvertreter bittet Shi darum, sich "zeitnah" mit den beiden zu treffen, damit der "Chinareporter" bald starten könne. Weiter schreibt der scheidende Botschafter zu dem Projekt: "Aus Peking werde ich es weiter begleiten".

Dem Schreiben ist ein zweiseitiges Konzept der beiden Journalisten beigefügt. Demnach war für das Projekt "Chinareporter" ein Jahresbudget von 250.000 Euro angedacht, von dem u. a. drei feste und drei freie Mitarbeiter bezahlt werden sollten. Ziel sei es gewesen, den Leserinnen und Lesern "eine differenzierte Berichterstattung" über China zu bieten, hierbei sollten in mehreren Rubriken, darunter "News", "Veranstaltungen" sowie "Essen + Reisen" regelmäßig Artikel publiziert werden. In dem Schreiben heißt es weiter: "Als Rechtsform ist ein gemeinnütziger Verein vorgesehen, ähnlich der Atlantik-Brücke e. V.".

In einem weiteren Schreiben an deutsche DAX-Unternehmen bekräftigte Shis Nachfolger, der aktuelle chinesische Botschafter Wu Ken das Anliegen. In einem Brief von Anfang Dezember 2019, der ebenfalls an deutsche DAX-Unternehmen ging, bittet Wu die deutschen Wirtschaftschefs "aus aktuellem Anlass (...), in der Sache tätig zu werden". Weiter heißt es: "Angesichts der einseitigen Medienberichterstattung hier in Deutschland über China ist die Vermittlung eines allseitigen, besseren China-Bildes in Deutschland immer aktueller und dringender geworden". Ende November hatten mehrere internationale Medien, darunter auch NDR, WDR und "Süddeutsche Zeitung" unter dem Stichwort "China Cables" über die massenhafte Inhaftierung und Drangsalierung muslimischer Minderheiten in der Region Xinjiang im Nordwesten Chinas berichtet.

Der ehemalige Mitarbeiter des "Manager Magazins" ist auch Mitglied des unlängst gegründeten Vereins "China-Brücke e. V.". Den Vorsitz des Vereins führt der ehemalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich. Auf Nachfrage erklärte Friedrich, der heute Vizepräsident des Deutschen Bundestages ist, der "China-Brücke e. V." gehe u. a. auf seine Initiative zurück und wolle einen stärkeren Austausch von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft beider Länder ermöglichen. Friedrich sagte weiter, das Projekt "Chinareporter" sei nicht Teil der "China-Brücke". Er selbst habe von dem Vorhaben erst vor wenigen Wochen erfahren. Auf die Frage, wie er das Verhalten der chinesischen Botschafter bewerte, sagte Friedrich, es überrasche ihn nicht, "dass Botschafter und ihre Mitarbeiter dazu beitragen wollen, dass ihr Land in der Öffentlichkeit des Gastlandes gut wegkommt. Ich hoffe, dass dies auch auf deutsche Botschafter zutrifft."

China versuche auf unterschiedlichen Ebenen, politische Entscheidungsprozesse zu beeinflussen, warnt der stellvertretender Direktor des Mercator Institut für chinesische Studien (MERICS) Mikko Huotari: "Es wird an vielen Stellen versucht Partnerschaft mit Institutionen, durch Vernetzung mit Wirtschaftsakteuren, mit Lobbyisten, mit hochrangigen Offiziellen, früheren Staatsoberhäuptern, mit früheren regierungsoffiziellen Verbindungen aufzubauen, die dann eben langfristig auch dazu genutzt werden, Meinung im Sinne Chinas zu machen", so Huotari.

Die beiden Journalisten bestätigten den Vorgang zum Chinareporter und sagten, dass die "Planungen für den "Chinareporter" Anlass zu Missinterpretationen geben konnten", das Projekt sei inzwischen eingestellt. Die Journalisten bestätigten weiter, dass sie ihr Projekt dem damaligen Botschafter Shi Mingde im Rahmen eines Abendessens vorgestellt hätten. Eine Finanzierung von chinesischer Seite sei dabei bewusst "zu keinem Zeitpunkt" angedacht gewesen. Auf Nachfrage erklärte das "Manager Magazin" und "Der Spiegel", man habe erst durch NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" von dem Vorgang erfahren. "Die Zeit" gab an, ihr Mitarbeiter habe sie einen Tag vor Eintreffen der Anfrage über das gescheiterte Projekt informiert. Alle drei Medien wollen den Vorgang nun intern aufklären.

Nach Recherchen von NDR, WDR und SZ hat keines der angeschriebenen Unternehmen der Bitte der Botschaft entsprochen. Die chinesische Botschaft wollte sich zu dem Vorgang nicht äußern.

Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)


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