Ökonomen fordern höheren Beitrag von Vermögenden bei Euro-Rettung
Archivmeldung vom 15.04.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtFührende Ökonomen sind davon überzeugt, dass die Euro-Krisenstaaten einen höheren Eigenbeitrag zur Sanierung ihrer Staatsfinanzen leisten müssen: Nach Meinung des Wirtschaftsweisen Peter Bofinger sollten vor allem Vermögende stärker zur Kasse gebeten werden. Im Nachrichten-Magazin "Der Spiegel" rät der Volkswirt den Regierungen Südeuropas zu einer Vermögensabgabe: "Die Reichen müssen dann zum Beispiel binnen zehn Jahren einen Teil ihres Vermögens abgeben."
Bofinger ist überzeugt, dass eine Vermögensabgabe deutlich besser geeignet ist als die Beteiligung von Sparern wie zuletzt bei der Rettung Zyperns geschehen: "Findige Reiche aus Südeuropa schaffen ihr Geld doch zu den Banken in Nordeuropa und entziehen sich damit dem Zugriff." Hintergrund der Forderung ist der Vermögensbericht der Europäischen Zentralbank (EZB), der in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde. Demnach verfügen die Haushalte in den Euro-Krisenstaaten im Schnitt über deutlich höhere Vermögen als die Deutschen.
Die Ergebnisse der Studie bestätigen nach Meinung des Wirtschaftsweisen Lars Feld den Kurs der Bundesregierung: "Es zeigt sich, dass Deutschland mit seinen harten Auflagen für die Euro-Rettungsgelder recht hat." Schließlich bekommen die überschuldeten Staaten die Milliarden aus dem Rettungsfonds nur bei entsprechenden Gegenleistungen. "Wenn es die Steuergesetze nicht mehr nur auf dem Papier gibt, kann selbst Griechenland die Zweifel an der Tragfähigkeit seiner Schulden ausräumen", so Feld.
Für den Brüsseler Ökonomen Guntram Wolff geben die Daten nicht nur eine Antwort auf die Frage, wer in Südeuropa die Krisenrechnung zahlen sollte: "Es wird einmal mehr deutlich, wie ungerecht das Vermögen auch in Deutschland verteilt ist." Deshalb sollten auch die deutschen Krisenkosten von den Vermögenden getragen werden. "Die Euro-Rettung wäre vollends ad absurdum geführt, wenn am Ende der vergleichsweise arme deutsche Durchschnittshaushalt den griechischen Superreichen vor höheren Steuern bewahrt."
Genscher: Europa steht am Scheideweg
Mit einem Appell für die Bewahrung des Euro hat sich der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) vor der Gründung der Anti-Euro-Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) an die Öffentlichkeit gewandt: "Europa steht am Scheideweg", schrieb Genscher in einem Beitrag für das Nachrichtenmagazin "Focus". "Diejenigen, die offen oder versteckt in Deutschland das Ende der Währungsunion betreiben, setzen das große Einigungswerk als Ganzes aufs Spiel. Zu Europa gibt es keine verantwortbare Alternative."
Die Frage nach dauerhafter Stabilität der Währung hat laut Genscher gerade in Deutschland eine schicksalhafte Bedeutung. "Offen oder versteckt wird die historische Errungenschaft der europäischen Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg in Frage gestellt." Aber "soziale Stabilität und Wohlstand, wie wir sie jetzt genießen, wären in einem Europa ohne EU nicht denkbar".
Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat Genscher zufolge die Dringlichkeit von Reformen in den Mitgliedstaaten bewusster gemacht. Die inzwischen eingeleitete Reformpolitik verfolge das Ziel, Schritt für Schritt eine Annäherung der Wettbewerbsfähigkeit der verschiedenen Regionen Europas zu erreichen. "Je reformbereiter ein Land war, desto geringer sind die jetzt zu bewältigenden Probleme", so Genscher. "Je größer die Probleme sind, umso bitterer ist die Medizin."
Zwei Parallelwährungen lehne er ab. "Ein Scheitern des europäischen Einigungsprozesses würde Deutschland am meisten treffen. Wer in Europa das größte Gewicht hat, verliert auch am meisten, wenn Europa scheitert", resümierte Genscher. Die Entscheidungsalternativen seien klar: "Entweder fortschreitende Integration oder aber Stillstand als Ausgangspunkt für den Zerfall der Europäischen Union."
Quelle: dts Nachrichtenagentur