London schließt "No Deal" nicht aus
Archivmeldung vom 18.09.2018
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Freigeschaltet durch André OttDie britische Regierung hat die Europäer unmittelbar vor dem informellen EU-Rat in Salzburg zu mehr Entgegenkommen in den stockenden Brexit-Verhandlungen aufgerufen. "Wir haben Kompromisse gemacht und Flexibilität gezeigt. Das müssen wir jetzt auch von der europäischen Seite sehen. Wir sind sehr pragmatisch gewesen. Jetzt ist der Moment, dass die andere Seite das ebenfalls tut", sagte der für den Brexit zuständige Minister Dominic Raab der "Welt" und anderen europäischen Medien.
Der Ball liege nun mehr im Feld der Europäer als der Briten, fügte Raab hinzu. Es gebe keine Alternative zu dem von Premierministerin Theresa May Mitte Juli vorgelegten "Chequers-Plan", der Londons Vorstellungen für die Beziehung zwischen EU und Großbritannien nach dem Brexit ausführt. Die 27 EU-Staaten hatten diesen grundsätzlich begrüßt. Allerdings lehnen sie die Forderung der Briten nach einer nur teilweisen Anbindung an EU-Regeln als "Rosinenpicken" ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte deshalb kürzlich intensive Verhandlungen gefordert und vor einem Scheitern der Verhandlungen und einem "No Deal" gewarnt, einem ungeordneten Austritt der Briten. Merkels Warnung wurde in London als indirekte Unterstützung verstanden.
"Positive Worte sind hilfreich. Aber was wir jetzt brauchen sind konkretes Handeln und Entscheidungen", so Raab. Als größter Stolperstein auf dem Weg zu einer für Mitte Oktober geplanten Einigung gilt die heikle Frage der künftigen Grenze in Nordirland. Da London bisher keine überzeugende Antwort vorlegen konnte, hat EU-Chefunterhändler Michel Barnier eine Auffanglösung vorgelegt. Dieser zufolge bliebe Nordirland im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Damit würde allerdings eine neue Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem Rest der Nation verlaufen. "Wir werden in keinem Fall erlauben, dass eine Zollgrenze durch die Irische See gezogen wird. Die territoriale und wirtschaftliche Integrität von Nordirland und dem Rest Großbritanniens muss respektiert werden", betonte Raab.
London sei sich bewusst, dass das Beharren im Fall Nordirland das Risiko eines ungeordneten Brexit, eines "No Deal" bedeute. "Wir haben immer gesagt, dass ein No Deal besser ist als ein schlechter Deal. Wir werden nicht zulassen, dass die Verhandlungen das Auseinanderreißen des Vereinten Königreichs nach sich ziehen", betonte Brexit-Minister. Raab wiederholte auch die Ankündigung, dass Großbritannien das vergangenen Dezember mit der EU vereinbarte Scheidungsgeld nicht zahlen werde, sollte es keinen Ausstiegsvertrag geben. "Die Einigung, die wir politisch im Rahmen des Ausstiegsabkommens getroffen haben, wäre in diesem Fall nicht die Summe, die wir zahlen würden. Der Druck hierzulande wäre auch viel zu groß, um das zu tun."
Laut Brexit-Fahrplan soll im Oktober neben den bereits fast abgeschlossenen Ausstiegsvereinbarungen eine politische Erklärung für die künftige Beziehung beschlossen werden. Diese liefert eine Grundlage für ein geplantes Handelsabkommen. Raab sprach sich dafür aus, in der Erklärung nicht zu viel Interpretationsspielraum zu lassen. "Wir sollten Richtungsentscheidungen nicht auf die lange Bank schieben. Die politische Erklärung muss eine Art Gegengewicht zum Ausstiegsabkommen sein, denn viele Bürger in Großbritannien werden dieses als nachteilig betrachten, vor allem die Geldzahlungen. Wir müssen in der politischen Erklärung die Richtung festlegen, in die wir uns in Zukunft bewegen. Sonst wird es schwer, von unserem Parlament und den Bürgern die nötige Unterstützung zu bekommen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur