Russland erlebt größte politische Proteste der Putin-Ära
Archivmeldung vom 10.12.2011
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtEine knappe Woche nach der Parlamentswahl in Russland haben Zehntausende gegen das Ergebnis protestiert: Es sind die größten politischen Proteste der Putin-Ära. Die Hauptkundgebung fand im Zentrum der russischen Hauptstadt Moskau statt. Dort kamen die Demonstranten auf dem Bolotnaja-Platz in der Nähe des Kremls zusammen, um für "ehrliche Wahlen" in Russland sowie für die Freilassung politischer Gefangener zu kämpfen. Die Organisatoren sprachen von bis zu 100.000 Regierungskritikern, die Polizei zählte dagegen etwa 25.000 Teilnehmer.
Schon als der Platz überfüllt war, kamen weiterhin Tausende über die Seitenstraßen geströmt. "Russland ohne Putin" und "Schande" lauteten die Parolen der Demonstranten. Indessen kam es auch zu ersten Festnahmen. Medienberichten zufolge hätten Einheiten der Sonderpolizei OMON eine nicht genehmigte Versammlung aufgelöst und schleppten gut ein Dutzend Oppositionelle brutal in bereitstehende Busse. Auch aus Perm am Ural und Chabarowsk im Fernen Osten wurden dutzende Festnahmen gemeldet. Demonstrationen waren auch in mindestens 70 weiteren Städten angekündigt.
Vor den Protesten hatte die US-Regierung an beide Seiten appelliert, keine Gewalt anzuwenden. Washington erwarte, dass sich Demonstranten wie Behörden friedlich verhalten, sagte Außenamtssprecherin Victoria Nuland.
SPD empört über Todesdrohungen gegen russische Oppositionelle
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hat die Todesdrohungen gegen russische Oppositionelle scharf kritisiert. "Die chauvinistischen und demagogischen Äußerungen einzelner Mitglieder der Partei Einiges Russland offenbaren die Irritationen in Teilen der politischen Klasse über die Ergebnisse der Dumawahlen", sagte Mützenich "Handelsblatt-Online".
Die Distanzierung durch führende Mitglieder der Regierungspartei Einiges Russland gegenüber solchen Verunglimpfungen lasse zumindest hoffen, dass die berechtigten Proteste russischer Bürger ernst genommen würden. Russland habe die europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet einschließlich des Bekenntnisses zur freien Meinungsäußerung und zur Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, betonte der SPD-Politiker. "Die Beachtung europäischer Wertestandards bleibt der Maßstab für unser gegenseitiges Verhältnis."
Mit Todesdrohungen gegen russische Oppositionelle im Internet hatte ein Abgeordneter der Regierungspartei für Aufregung gesorgt. Er wolle "für Russland sterben" und dabei "30 Liberale mitnehmen", kündigte Konstantin Rykow nach Angaben russischer Medien vom Samstag an - kurz vor einer Großdemonstration von Kremlgegnern. Der Ultranationalist saß bislang für die von Ministerpräsident Wladimir Putin geführte Partei Einiges Russland in der Staatsduma.
Quelle: dts Nachrichtenagentur