Zusammenfassung der Presseberichte zum Hochwasser
Archivmeldung vom 25.08.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.08.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAuch heute ist das Hochwasser in Bayern, Österreich und der Schweiz wieder Thema Nummer 1 in der Presse. In der heißen Phase des Wahlkampfes scheinen die Politiker hier eine neues Thema gefunden zu haben, um auf Stimmenfang bei den Wählern zu gehen. Wie ließe sich ansonsten der "Hochwassertourismus" der Politiker erklären. Vieles erinnert an den letzten Wahlkampf und das Hochwasser an der Elbe. Außer Versprechungen und schöner Worte hat sich anscheinend nichts getan.
Sei es die globale Klimaerwärmung oder ökologischer Fehler der Vergangenheit, jedesmal werden wieder die gleichen Ursachen festgestellt, ohne daß sich bisher etwas Nennenswertes ändert, da es meistens immer um wirtschaftliche Interessen geht, wo Politiker nur mit schönen Worten und Versprechungen nichts ausrichten können. Das Leid der betroffenen Menschen und deren Sorgen und Nöte spielt hier, nachdem die Berichterstattung in den Medien vorbei ist, keine Rolle mehr.
Wir haben ihnen einige dieser Pressebericht zum Thema Hochwasser nachfolgend zusammengefaßt:
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Die NRZ zum Thema Hochwasser und Politik
Es ist schon wahr. Wo ein Skifahrer herunter rast,
weil keine Bäume da sind, kommt auch Wasser schnell herunter. Jürgen
Trittin darf auf solche Umweltsünden im Alpenraum und Zusammenhänge
mit dem Hochwasser hinweisen.
Es ist sachlich geboten, er schaltet sich als Umweltminister mit Fug
und Recht in die Diskussion ein. Angstfrei können in der Debatte über
das Hochwasser bloß die Grünen sein.
Sobald es um Jobs geht, machen andere Parteien Kompromisse zu Lasten
der Umwelt. Vorfahrt für Arbeit galt bereits, bevor die Union es für
ihren Wahlkampf entdeckte. Das hindert alle nicht daran, sich
pharisäerhaft vorzuwerfen, wer zuletzt beim Hochwasserschutz versagt,
verzögert, blockiert hat. Die Katastrophenhelfer liefern in Bayern
das Kontrastprogramm: aufgeregt, umsichtig, souverän. Das gilt auch
für die unmittelbar politisch Verantwortlichen, für die Minister des
Innern und der Verteidigung und für den Kanzler. Er hütet sich, nach
dem Bayern-Hochwasser politische Wellen zu schlagen.
Wir haben es nicht mit einer nationalen Katastrophe wie 2002 bei der
Elbflut zu tun. Außerdem würde es wie Masche aussehen, hätte er
reflexartig nach seinen Gummistiefeln gegriffen.
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Rheinische Post: Wasserdruck
Wer Geld ausgibt, will auch ganz gern etwas dafür haben. Wenn die
Wohltaten anderen zugute kommen, bremst das manchmal den Tatendrang.
Deshalb bewegt sich beim vorbeugenden Hochwasserschutz so wenig: Von
Wasser-Rückhalteräume am Oberlauf eines Flusses profitieren
naturgemäß die Regionen flussabwärts.
Die Frage drängt sich auf, ob es wirklich eine so gute Idee war, die
Bändigung der immer öfter durch die begradigten Flussbetten tosenden
Wassermassen den Ländern zu übertragen. Diese Zersplitterung der
Zuständigkeiten sieht das vor wenigen Monaten bundesweit in Kraft
getretene Hochwasserschutzgesetz vor. Natürlich lässt sich vor Ort am
besten regeln, wie die Eigentümer der (bei Bedarf) dem Wasser
preisgegebenen Flächen zu entschädigen sind. Der Ausgleich der Kosten
hingegen muss über hunderte von Fluss-Kilometern hinweg, also
überregional organisiert werden.
Nur wenn hier bei den Instrumenten nachgebessert wird, kommt endlich
Tempo in das Hochwasserschutz-Programm. Die im Gesetz festgelegten
Fristen (fünf bis sieben Jahre) zur Festlegung von
Überschwemmungsgebieten halten dem Wasserdruck wohl kaum stand.
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Die Lausitzer Rundschau Cottbus zu der Politiker-Präsenz im Hochwassergebiet:
Auch die Vernunft fortgespült
Wer als verantwortlicher Regierender den
Betroffenen wirklich helfen will, kann dies am besten von seinem
Dienstsitz aus tun und muss nicht den Helfern und Aufräumern im Wege
stehen. Doch die panische Angst, entscheidende Zehntelprozente durch
mangelnde Präsenz vor den Fernsehkameras zu verlieren, ist offenbar
größer als die Peinlichkeiten dieses politischen
Katastrophen-Tourismus. Auch an diese Folge der Klimaänderung wird
man sich wohl gewöhnen müssen.
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Westfalenpost: Katastrophen-Thema Das Hochwasser und die
Politik
Nein, Angela Merkel muss sich nicht fürchten: Gerhard Schröder
wird nicht wieder von einer Flutwelle ins Amt zurückgespült. Diese
Geschichte wiederholt sich nicht. Einmal ist das Alpen-Hochwasser
kaum vergleichbar mit der Jahrhundert-Flut 2002. Und im Süden wird
auch ein SPD-Kanzler in Gummistiefeln die Wahl nicht drehen können -
zumal Edmund Stoiber diesmal schnell zur Stelle war, geht es doch um
sein Bayern, nicht um den Osten. Schließlich ist der Rückstand der
SPD längst viel zu groß; nur die Sintflut könnte die Umfragewerte
noch drehen.
Aus dem Wahlkampf heraushalten lässt sich das Hochwasser indes
nicht. Besonders Grüne und Umweltverbände nutzen die Chance, die
Umwelt zum Thema zu machen. Da werde das Leid der Betroffenen
politisch missbraucht, heißt es dazu aus Bayern. Was ja nicht so ganz
falsch ist.
Für den Hochwasserschutz gilt, was auch bei der Umwelt schon länger
zu beobachten ist: Ohne richtige Katastrophe ist mit diesen Themen
kaum noch Staat zu machen. Und schnell gemachte Versprechen sind
hinterher noch schneller vergessen. Was etwa im Flut-Sommer 2002 noch
zu Allgemeinplätzen auch konservativer Politiker zählte, konnte
Umweltminister Trittin zwei Jahre später abgespeckt kaum im eigenen
Lager durchsetzen.
Fakt ist: Hochwasserschutz berührt Wirtschaftsinteressen, etwa wenn
Baugebiete zu Überflutungszonen umgewidmet werden. Dabei stehen meist
allgemeines Langfristinteresse gegen kurzfristigen
(Partikular-)Profit - doch dieses Wissen hilft den Umweltpolitikern
selten. Deshalb melden sie sich jetzt zu Wort. Wenn nicht jetzt -
wann sonst?
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SÜDWEST PRESSE ULM, Leitartikel zu Hochwasser
Der Grund des Jahrhundert-Hochwassers mitten im
Hochsommer sind die Regenfälle, die zuvor nicht mehr aufgehört hatten
und die nichts mehr zu tun haben mit den Hitzegewittern, die uns als
Kindern immer Respekt einflößten. Die jährliche Flutkatastrophe
gehört endgültig zum Kalender der gemäßigten Klimazone Mitteleuropas.
Und es klingt wie Hohn, dass das meteorologische Gegenstück die
extreme Trockenheit in Südeuropa ist, mit nicht mehr zu bändigenden
Waldbränden.
Unabhängig von Wetterkapriolen, die es schon immer gegeben hat, kann
niemand mehr leugnen, dass Feuer und Wasser naturgewaltige Reaktionen
auf globale Klimaveränderungen sind. Der Planet schlägt zurück.
Jenseits der Frage, wie viel Anteil der Ausbeuter Mensch an
Erderwärmung und Ozonloch hat, lehren die Ursachen des jüngsten
Hochwassers und des diesmal vor allem im Land der stolzen Bayern
hoffnungslosen Kampfes gegen seine Wirkungen, dass Politik und
Bürokratie auch hier versagt haben.
Wie anders soll man es nennen, dass aus dem Kabinett des
neunmalklugen Ober-Bayern heraus vor grad mal einem Jahr verkündet
wurde: Gefahr gebannt, eine Überschwemmung in Garmisch-Partenkirchen
wie an Pfingsten 1999 sei nicht mehr denkbar. Pfeifendeckel. Das neue
Hochwasser scherte sich einen Dreck ums Schutzprogramm der
bayerischen Staatsregierung. Land unter heißt es vielerorts.
Mit dem Hab und Gut tausender Menschen ist auch ein gutes Stück
Vertrauen in die Fähigkeiten des Staates weggespült worden. Denn
unbestreitbar wäre in vielen Städten und Gemeinden, die an von der
neuen Flutkatastrophe heimgesuchten Flusslandschaften liegen,
besserer Hochwasserschutz möglich gewesen, wäre er nur durchgesetzt
worden.
Das hätte eine harte, streitbare Politik erfordert, die einer
zupackenden Bürokratie die Schneisen schlägt. An Konfliktfreude und
Bereitschaft zu Ärger und Stress aber mangelt es im Land der Klugen
und in der ganzen Konsens-Republik. Wer schenkt den Bauern reinen
Wein ein und sagt, dass sie angesichts der Überproduktion Fluss-Auen,
die sie zur Agrar-Kulturlandschaft umgepflügt haben, der
Allgemeinheit als natürliche Versickerungsflächen zurückgeben sollen?
Wer bietet den Ökologen die Stirn, erklärt, dass in unseren
zubetonierten Städten oft nur technische Sicherung hilft und der
Schutz des Menschen wichtiger ist als der von Ente und Frosch?
Nun hat jede Gesellschaft die Politik und die Bürokratie, die sie
verdient. Die Wurzel des Übels liegt also tiefer, ist begründet -
noch so ein Hohn - in einer Volkskrankheit: der deutschen
Gründlichkeit. So gründlich, wie wir die Landschaft einst
zugepflastert, asphaltiert und ihr auch die letzten freien
Uferflächen als Bauplätze abgetrotzt haben, so gründlich suchen wir
jetzt nach Mitteln und Wegen, uns gegen die Auswirkungen zu wappnen.
Zuerst wird gründlich darüber geredet, dann gründlich geplant,
gründlich widersprochen und geklagt, gründlich verworfen. Derweilen
säuft Garmisch gründlich ab, weil wir über hoffnungsvolle Ansätze nie
hinaus kommen.
Wenn der Rhythmus wiederkehrender Hochwasser immer kürzer wird, muss
auch der Schutz davor in kürzerer Zeit gelingen. Und zwar in
föderaler Dreieinigkeit von Bund, Ländern, Kommunen - denn nur dann
sind einschneidende Maßnahmen auch gründlich durchzusetzen.
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Neues Deutschland, Berlin, kom mentiert: Flut und Wahlkampf
Man könnte unken, dass die Flut wieder pünktlich für den Kanzler kam. Doch der Witz bleibt einem an gesichts der Bilder aus Bayern im Halse stecken. Menschen sind wie der in Not, verlieren Hab und Gut, haben Angst. Ostdeutsche wissen nur all zu gut, wovon die Rede ist, und zeigen sich spontan solidarisch - ungeachtet der hanebüchenen Be schimpfungen, die sie erst jüngst vom bayerischen Ministerpräsiden ten über sich ergehen lassen muss ten. Womöglich gerade deshalb. Fest steht, kämen Politiker nicht zu den Hochwasseropfern - wie würde die Öffentlichkeit ihnen grol len? Aber für das Dilemma, dass die einen von purem Wahlkampf sprechen und andere den Beistand für geboten halten, haben die Politi ker - allen voran der Kanzler 2002 - selbst gesorgt. Auch diesmal wie der sind die Strategen der politisch konkurrierenden Lager dabei, eine Naturkatastrophe zu instrumen talisieren, um sich gegenseitig das Wasser abzugraben. Da können SPD wie Grüne noch so richtig mit der Feststellung liegen, dass die Union durch Blockaden im Bundes rat einen wirksamen Hochwasser schutz verhindert habe und in Bay^ ern die Mittel verantwortungslos zusammengestrichen wurden. Da kann die Union noch so heftig da gegen anschwimmen. Zurück bleibt dennoch die Befürchtung, dass es weniger um Betroffene von und Strategien gegen derlei Katastro phen geht - sondern darum, auf den Hochwasserwellen zu surfen, um am 18. September trockene Füße zu behalten. Von wegen, nach dem Wasser kommt der Schlamm. In Wahljahren kommen sie zeitgleich.