Italienischer Oppositionsführer Rutelli spricht Berlusconi-Regierung Führungsqualität ab
Archivmeldung vom 28.10.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer italienische Oppositionsführer Francesco Rutelli hat der Regierung von Silvio Berlusconi jede Fähigkeit abgesprochen, das Land einer dringend notwendigen Therapie zu unterziehen. "Italien ist in der Produktivität nach Deutschland das zweitstärkste Land Europas und es verfügt über beträchtlichen privaten Reichtum. Die wirtschaftliche Dynamik ist gut", sagte Rutelli im Gespräch mit der Tageszeitung "Die Welt". Der Vergleich mit Griechenland sei daher absurd.
"Was aber stimmt: Es gibt in Italien eine dramatische politische Vertrauenskrise. Das Staatsdefizit ist riesig, es müsste von einer neuen Regierung von 120 auf mindestens 90 Prozent reduziert werden. Dazu braucht es eine drastische Therapie, zu der die Regierung Berlusconi überhaupt nicht in der Lage ist." Die Verwaltung vor allem im Süden müsse unabhängig arbeiten, der Arbeitsmarkt müsse durchlässiger und flexibler gestaltet werden. Dazu brauche das Land eine große Koalition mit den besten Kräften der großen Parteien. Regierungschef müsste eine Persönlichkeit mit hoher Autorität sein, die in ganz Europa anerkannt ist. Eine Beteiligung Berlusconis an der neuen Führung schloss Rutelli aus. "Er muss entweder im Parlament nieder gestimmt werden oder er muss zurücktreten. Wir können uns die Querelen der vergangenen Jahre einfach nicht mehr leisten."
Der Premier, so Rutelli, sei zur Einsicht nicht fähig. Europas Drama bestehe darin, dass es eine gemeinsame Währung, aber keinen gemeinsamen Staat gibt, sagte der Politiker. "Mit den inneren Reformen, die Deutschland seit der Agenda 2010 der Regierung Schröder auf den Weg gebracht hat, und mit dem politischen Geschick Angela Merkels hat es seine Führungsrolle in Europa bekräftigt", erkennt Rutelli an. Aber Merkels heute enge Beziehung zu Sarkozy sei nur den aktuellen Umständen zu verdanken. Rutelli plädierte für ein "Europa mit mehreren Motoren: Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien vielleicht auch wieder - nicht zu vergessen Polen, das eine ganz wichtige Rolle im neuen, erweiterten Europa spielt. Europa braucht mehrere Kraftzentren". Europa solle "eine Föderation von Staaten und kein Superstaat" sein. Es müsse einen kräftigen Sprung nach vorne machen. "Leider sind keine politischen Führer in Sicht, die das gewährleisten könnten."
Quelle: dts Nachrichtenagentur