Militärpolitischer Berater der Bundesregierung erhebt schwere Vorwürfe gegen NATO-Truppen in Afghanistan
Archivmeldung vom 01.06.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn ungewöhnlich scharfer Form hat der militärpolitische Berater der Bundesregierung in Kabul den Militäreinsatz der NATO in Afghanistan kritisiert und dabei auch deutsche Generäle ausdrücklich mit einbezogen.
In einem internen Schreiben an Außenminister Frank-Walter
Steinmeier vom 13.05.2007, das MONITOR vorliegt, kritisiert der
Berater die "Eskalation der militärischen Gewalt in Afghanistan". Es
sei "unerträglich, dass unsere Koalitionstruppen und ISAF inzwischen
bewusst Teile der Zivilbevölkerung und damit erhoffte Keime einer
Zivilgesellschaft bekämpfen. Westliche Jagdbomber und
Kampfhubschrauber verbreiten Angst und Schrecken unter der
Zivilbevölkerung." "Wir sind dabei, durch diese unverhältnismäßige
militärische Gewalt das Vertrauen der Afghanen zu verlieren", heißt
es in dem Brief an den deutschen Außenminister weiter. Dabei sei
"bekannt, dass es um die Verletzung des Kriegsvölkerrechts" gehe. Das
Schreiben warnt vor einer schleichenden, völkerrechtswidrigen
Ausweitung des ISAF-Mandats: "Das Militär droht sich zu
verselbständigen und von den politischen und völkerrechtlichen
Vorgaben zu lösen."
Deutliche Kritik übt der militärpolitische Berater auch an der
Informationspolitik der ISAF-Führung. Politikern und Parlamentariern
gegenüber werde "die militärische Lage unzulässig geschönt
dargestellt. Auch deutsche Generäle beschönigen oder verschweigen
eigene Probleme." Dabei sprächen "die ständigen Forderungen nach
Truppenverstärkung, die steigenden Kosten des militärischen
Engagements, das Anwachsen eigener Verluste und die wachsende Zahl
ziviler Opfer eine eigene Sprache", mit der "die Ungeeignetheit und
Ausweglosigkeit militärischer Gewalt als Lösung der inneren und
äußeren Probleme Afghanistans" zum Ausdruck käme.
Der Absender des Briefes ist seit Juli 2006 militärpolitischer
Berater der Bundesregierung an der deutschen Botschaft in Kabul und
war zuvor Leiter Aufklärung und Sicherheit der "Kabul Multinational
Brigade" der ISAF (International Security Assistance Force).
Quelle: Pressemitteilung ARD-Magazin MONITOR